Wirtschaft sucht neue Wege

Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Kooperationschancen vor allem bei Energie und Digitalisierung

Wirtschaft sucht neue Wege

Auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg wurde klar: Die Sanktionen gegen Russland passen keinem. Aber weil sie nicht so schnell aufgehoben werden, sucht die Wirtschaft nach neuen Wegen zueinander. Vorerst sind es die Energie und Nord Stream 2, die die Bande stärken solltenVon Eduard Steiner, St. PetersburgSchon vor dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dem “russischen Davos”, hatte Kremlchef Wladimir Putin anklingen lassen, was derzeit seiner Ansicht nach zwischen Russland und dem Westen nicht passt. Er ortet eine “kontraproduktive Russlandfeindlichkeit” im Westen. Er hoffe aber, dass das “nicht zu lange, nicht ewig anhält”.Sein Auftritt auf dem Forum vom Freitag trug zwar inhaltlich nichts zur Veränderung der Situation bei, zumal er von der amerikanischen Moderatorin vorwiegend über die Einmischung Russlands in den US-Präsidentschaftswahlkampf befragt wurde. Aber seine Redseligkeit deutete doch Kommunikationsbedürfnis an. Kommunikationsbedarf mit dem Westen herrscht allemal. Das sehen auch die internationalen Teilnehmer am Forum so, weshalb Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel genauso nach Petersburg gekommen ist wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Österreichs Kanzler Christian Kern.Auch wenn das Hauptgastland für die größte Veranstaltung im russischen Wirtschaftsjahr Indien war und Russlands Kooperationen mit dem asiatischen Raum zunehmen, sehen die Europäer ihre Chance in Russland – mehr sogar noch als vor zwei bis drei Jahren: “Noch ist nicht alles verloren”, wie es ein deutscher Großunternehmer der Börsen-Zeitung am Rande der Veranstaltung sagte.Russland und Putin kommen im Jahr 2017, da auch die russische Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession leicht anzieht und Putin in Petersburg neue Investitionsanreize ankündigte, wieder auf den europäischen Schirm zurück. Putin spielt dabei sichtlich in die Hände, dass die irritierenden Aktionen von US-Präsident Donald Trump die ganze Negativaufmerksamkeit über den Atlantik abziehen. Beide Seiten – Europa und Russland – erleben die Sanktionen als lästige Hürde im Geschäft, was selbst Putin öffentlich zugab. Und alle wissen, dass sie nicht so schnell gelockert, geschweige denn aufgehoben sein werden – jedenfalls nicht bevor die Voraussetzungen im ostukrainischen Separationskonflikt gegeben sind. Umso mehr wurde während des Wirtschaftsforums klar, dass man einen Weg sucht, wie man trotzdem zum “business as usual” wechseln kann. Einen “Bypass um die Sanktionen” gewissermaßen, wie es diverse Forumsteilnehmer im Gespräch bezeichneten.Auch wenn mehr denn je betont wird, dass Kooperationen bei der Digitalisierung und Industrie 4.0 das neue Band sein könnten, das Russland mit der EU verbindet und das vor allem von Deutschland geknüpft werden könnte, so wurde in Petersburg doch einmal mehr und so stark wie schon lange nicht mehr offensichtlich, dass vorerst die Stärkung in der Kooperation auf dem Energiesektor diese Funktion erfüllen sollte. Das größte Symbol dafür ist und bleibt der Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream, um den Transit für russisches Gas durch die Ukraine zu verringern. “Es bestehen derart viele politische und wirtschaftliche Unsicherheiten, so dass wir wenigstens die funktionierende Energiepartnerschaft ausbauen sollten”, sagt Friedbert Pflüger, Direktor des European Centre for Energy and Resource Security zur Börsen-Zeitung: Es sei Zeit, in der Konfrontationsrhetorik abzurüsten. “Wer sagt, man brauche Russland nicht, betreibt ein gefährliches Spiel mit ungewissem Ausgang”, warnte Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Aufsichtsratschef der Nord Stream AG.Im Feuer der Kritik stand bei den Energiepanels die EU. Ohne jegliche Logik versuche sie zusätzlichen russischen Gasverkauf in der EU zu hintertreiben, obwohl der Bedarf an Gasimporten weitaus schneller steige, als dies erwartet worden sei, lautete der Vorwurf. Der russische Gasriese Gazprom und sein Chef Alexej Miller bekamen hier jegliche Schützenhilfe von ihren westlichen Partnerkonzernen aus Deutschland und Österreich, die den Ausbau der Nord Stream mitfinanzieren. “Wir sollten uns vernünftig verhalten”, meinte Mario Mehren, Chef des deutschen Energiekonzerns Wintershall, mit Bezug darauf, dass die Transportdistanz zum rohstoffreichsten Nachbarn Russland immer noch die kürzeste ist. Wenn es um die Stärkung der Energiesicherheit gehe, mache die EU-Kommission oft das Gegenteil des Nötigen, so Rainer Seele, vormals Chef von Wintershall und nun Vorstandsvorsitzender der OMV.