Corona-Beschlüsse

Wirtschaft vermisst Fahrplan zur Öffnung

Die deutsche Industrie mahnt bundesweit einheitlichen Rahmen für Lockerungsschritte in der Corona-Pandemie an. Frust herrschte insbesondere aufgrund der Verknüpfung von Öffnungen mit einer Inzidenz von nun 35.

Wirtschaft vermisst Fahrplan zur Öffnung

wf Berlin

Nach Beschlüssen von Bund und Ländern zu fortgesetzten Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie ruft die deutsche Wirtschaft verzweifelt nach Signalen, damit Unternehmen Öffnungsschritte planen können. Der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, warf Bund und Ländern das Versäumnis vor, eine klare Perspektive für bundeseinheitliches Vorgehen aufzuzeigen. „Die deutsche Industrie benötigt einen verlässlichen Fahrplan mit einheitlich anwendbaren Kriterien für eine sichere und faire Öffnung der Wirtschaft, wo immer dies epidemiologisch verantwortbar ist“, sagte Russwurm. Wegen des gesteigerten Infektionsrisikos durch Mutationen ist aber auch der BDI-Präsident gegen vorschnelle Lockerungen.

Russwurm verlangte eindringlich eine „Mittelfriststrategie“. Sie solle das wirtschaftliche Leben schrittweise und regional differenziert öffnen. Dabei solle ein „bundesweit einheitlicher und evidenzbasierter gesundheitspolitischer Rahmen“ gelten. Russwurm forderte ein systematisches, wissenschaftliches Monitoring zur Wirksamkeit einzelner Eindämmungsmaßnahmen. Zeit, Hygiene-, Test- und Impfstrategien müssten bundesweit optimiert und besser miteinander verzahnt werden. Es wäre falsch, wenn einzelne Bundesländer mit eigenen Stufenplänen sowie Schul- und Kitaöffnungen vorpreschten, warnte er.

Bund und Länder hatten am Mittwoch die Fortsetzung der Beschränkungen bis zum 7. März beschlossen. Erste breitere Öffnungsschritte sollen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von weniger als 35 Infizierten je 100000 Einwohner möglich sein. Erst dann sollen Einzelhandel, Museen oder körpernahe Dienstleistungen wieder öffnen. Damit legten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten erstmals einen Rahmen vor, in dem die Länder nach bundeseinheitlichen Vorgaben autonom handeln können. Dies soll je nach Infektionslage regional unterschiedlich schnell gehen können. Die Länder wollen sich so weit abstimmen, dass es nicht zu „Einkaufstourismus“ kommt. Einzelne Länder hatten Stufenpläne vorgelegt. Der Entwurf eines Stufenplans aus dem Kanzleramt, der unterschiedlich starke Öffnungsschritte bei Inzidenzwerten von jeweils weniger als 35, 20 und 10 Infizierten in sieben Tagen je 100000 Einwohner strukturiert hatte, wurde nicht Teil des Bund-Länder-Beschlusses.

Harsche Kritik kam auch aus anderen Verbänden der Wirtschaft. Sarna Röser, Vorsitzende der „Jungen Unternehmer“, sprach von einem „schwarzen Tag“ für viele Firmeninhaber. Das plötzliche Herabsetzen auf eine Inzidenz von 35 für Ladenöffnungen sei nicht nachvollziehbar. Der Tourismusverband BTW kritisierte die „weiter fehlende Strategie der Politik zum Re-Start des Tourismus“. Reinhold von Eben-Worlée, Präsident der „Familienunternehmer“, erinnerte daran, dass bei einer Inzidenz unter 50 eine spürbare Lockerung in Aussicht gestellt worden war. „Nun, da die Inzidenz von 50 in Blickweite kommt, da wird der neue Hoffnungswert auf 35 herabgestuft“, kritisierte er.