Wirtschaftsweise fordern EZB-Exit

"Ausstieg ist überfällig" - Niedrigzinspolitik birgt Risiken für die Finanzstabilität

Wirtschaftsweise fordern EZB-Exit

ms Frankfurt – Die Wirtschaftsweisen haben ihre Forderung nach einer baldigen Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik im Euroraum untermauert. “Angesichts der guten konjunkturellen Lage im Euroraum und der wieder höheren Inflation ist die Einleitung eines Ausstiegs der EZB aus der expansiven Geldpolitik überfällig”, heißt es im gestern veröffentlichten Update der Konjunkturprognose des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die lockere Geldpolitik der großen Zentralbanken weltweit sei generell eines der größten Risiken für den Wirtschaftsausblick. EZB steuert auf QE-Ende zuDie Wirtschaftsweisen heizen damit die Debatte über die geldpolitische (Zins-)Wende der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Die Euro-Hüter steuern auf ein Ende ihrer umstrittenen Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) zum Jahresende zu, scheuen aber bislang mehrheitlich klare Signale und halten sich noch alle Optionen offen. In Notenbankkreisen gehen die Meinungen dabei auseinander: Einige dringen auf ein zügiges Ende von QE, andere mahnen noch zur Vorsicht.Hintergrund ist das Dilemma, mit dem die Währungshüter konfrontiert sind: Einerseits steht die Euro-Wirtschaft überraschend gut da, auch wenn sich zuletzt einige Konjunkturindikatoren ein wenig eingetrübt haben. Andererseits liegt die Inflation mit zuletzt 1,1 % weiter deutlich unterhalb des EZB-Ziels von unter, aber nahe 2 %. Der drohende Handelskrieg erschwert die Lage nach Einschätzung einiger Notenbanker.Die Wirtschaftsweisen sind dennoch überzeugt, dass die Zeit für den Ausstieg überreif ist. Nach Meinung der Mehrheit im Sachverständigenrat hätte die EZB ihre Anleihekäufe längst beenden müssen. Zudem liegen demnach die Leitzinsen deutlich unterhalb jenes Niveaus, das Benchmarkregeln wie die Taylor-Regel oder frühere Reaktionsmuster der EZB selbst nahelegten. Um den Ausstieg ohne größere Verwerfungen an den Finanzmärkten zu gestalten, sei die Kommunikation einer Normalisierungsstrategie “von großer Bedeutung”, so die Wirtschaftsweisen.Die Euro-Hüter haben bislang beschlossen, bis mindestens Ende September für rund 30 Mrd. Euro monatlich Anleihen zu erwerben. Wie es danach weitergehen soll, haben sie bisher nicht gesagt. In Notenbankkreisen scheinen aktuell viele ein Szenario zu teilen, nach dem der EZB-Rat nach September keine großen Volumina mehr erwirbt und die Käufe allenfalls bis Jahresende auslaufen lässt – ein sogenanntes “Tapering” (vgl. BZ vom 6. März). Dann wären 2019 erste Leitzinserhöhungen möglich und denkbar.Wie die Wirtschaftsweisen plädierte gestern auch Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise für den EZB-Exit. Ein Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik sei für die Wirtschaft des Währungsraums nicht nur verkraftbar, sondern womöglich sogar sinnvoll. “Ein gewisser Zinsanstieg wäre positiv zu sehen”, sagte Heise in Frankfurt. Das gelte nicht zuletzt, weil dann die “Jagd nach Rendite” an den Finanzmärkten gebremst werde und die Gefahr von Kreditübertreibungen sinke. Die EZB schaue viel zu dogmatisch auf ihr 2-Prozent-Ziel, kritisierte Heise. Hohe Schulden als ProblemDie Wirtschaftsweisen sorgen sich auch um die negativen Folgen der ultralockeren Geldpolitik weltweit. “Die anhaltende Niedrigzinspolitik erhöht das Risiko von Fehlallokationen und birgt Risiken für die Finanzmarktstabilität”, heißt es im gestern veröffentlichten Prognose-Update.Eine unvorhergesehen rasche Straffung insbesondere der US-Geldpolitik in Reaktion auf ein stärkeres Wachstum und eine höhere Inflation könnten zu erheblichen Preisanpassungen auf den internationalen Finanzmärkten führen, so die Sachverständigen um den Frankfurter Geldpolitikexperten Volker Wieland. Käme es hierdurch zu Turbulenzen, könne die wirtschaftliche Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen werden. “Die weltweit hohe Verschuldung steigert die Relevanz dieser Risiken”, so die Wirtschaftsweisen.