ZUM JAHRESGUTACHTEN DER WIRTSCHAFTSWEISEN

Wirtschaftsweise gehen hart mit EZB ins Gericht

Experten halten QE-Verlängerung für falsch - Notenbank soll eigene Leitzinsprognosen veröffentlichen

Wirtschaftsweise gehen hart mit EZB ins Gericht

ms Frankfurt – Die deutschen Wirtschaftsweisen haben die jüngste Verlängerung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) scharf kritisiert und eine rasche Kurswende gefordert. Zugleich plädierten die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) in ihrem gestern veröffentlichten Jahresgutachten dafür, dass die Euro-Hüter beispielsweise eigene Leitzinsprognosen publizieren, um die Kommunikation zu verbessern.”Die jüngste Verlängerung des Anleihekaufprogramms lässt den Expansionsgrad sogar noch weiter zunehmen, obwohl die makroökonomische Entwicklung eine deutliche geldpolitische Straffung erfordert”, kritisieren die Wirtschaftsweisen in dem Gutachten. Entsprechend klar ist die Forderung: Die EZB sollte die Käufe “zügig verringern” und “früher beenden als bisher angekündigt”.Der EZB-Rat hatte Ende Oktober seine Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) über Ende 2017 hinaus bis Ende September 2018 verlängert – wenngleich ab Januar 2018 mit einem halbierten monatlichen Kaufvolumen von 30 Mrd. Euro. Die Entscheidung fiel mit großer Mehrheit. Nicht zuletzt die deutschen Ratsmitglieder, Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger, hatten das abgelehnt, weil kein explizites Enddatum genannt worden ist. “Asymmetrische” ReaktionDie Wirtschaftsweisen, darunter auch Notenbankexperte Volker Wieland von der Universität Frankfurt, fordern, dass die EZB auf die Zunahme der Wachstums- und Inflationsraten genauso reagieren solle wie auf deren Rückgang in der Vergangenheit. Sie reagiere “asymmetrisch”, kritisieren die Experten. Es gebe eine vergleichsweise stärkere Reaktion auf einen Rückgang als auf einen Anstieg dieser Größen. Selbst wenn das QE-Kaufvolumen auf 30 Mrd. Euro halbiert werde, bedeute das eine weitere deutliche Bilanzerhöhung der Notenbank. “Es hat somit keine geldpolitische Wende stattgefunden, sondern der Expansionsgrad der Geldpolitik ist weiter erhöht worden”, heißt es in dem Jahresgutachten.Die EZB müsse nun “dringend eine umfassende Strategie für eine Normalisierung ihrer Geldpolitik kommunizieren”. Das könne die Unsicherheit bei den Marktteilnehmern mindern und dem weiteren Aufbau von Finanzrisiken entgegenwirken. Zunächst sollten die Nettoanleihekäufe reduziert werden – und zwar schneller als bislang avisiert. Abhängig von der Inflations- und Wachstumsentwicklung könnten sich daran Leitzinserhöhungen anschließen. Langfristig gelte es, die Bilanzsumme schrittweise zurückzuführen.Nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen sollte der EZB-Rat auch seine bisherige Forward-Guidance-Kommunikation ausbauen, also die Aussagen zur Zukunft von QE und der Leitzinsen. So könnte der Rat aufbauend auf einer eigenen Inflationsprognose eine Prognose zur Entwicklung der Anleihekäufe und des Leitzinses veröffentlichen, raten die Wirtschaftsweisen: “Dabei geht es nicht um eine Festlegung, sondern um die Kommunikation der Erwartungen der Notenbank.” Vorbilder seien da etwa die Zentralbanken Schwedens und Norwegens.Alternativ könnten die individuellen Prognosen der Ratsmitglieder veröffentlicht werden, ähnlich wie bei der US-Notenbank Fed, oder die derzeit veröffentlichte Stabsprognose mit einer eigenen Leitzinsprognose verbessert werden. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger widersprach diesen Forderungen. Die EZB gebe bereits klare Orientierungen.