Wirtschaftsweiser lehnt "Helikoptergeld" ab

Bofinger: Das ist eine fiskalpolitische Aufgabe - Plädoyer für negativen Leitzins

Wirtschaftsweiser lehnt "Helikoptergeld" ab

ms/lz Würzburg – Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält absolut nichts von Geldgeschenken der Europäischen Zentralbank (EZB) in Form von “Helikoptergeld”. “Das ist eine Form ökonomischer Stimulierung, die völlig unsystematisch verläuft und bei der das Mandat der Geldpolitik massiv überschritten wird”, sagte Bofinger im Interview der Börsen-Zeitung. Es sei unklar, ob der inländische Konsum wirklich angekurbelt werde, und es sei ordnungspolitisch “keine akzeptable Lösung”. Stattdessen plädierte er dafür, dass die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz, der derzeit bei 0,00 % liegt, unter null senkt, auf das Niveau des Einlagenzinses, der – 0,4 % beträgt.EZB-Präsident Mario Draghi hatte unlängst mit seiner Bemerkung, Helikoptergeld sei ein “sehr interessantes Konzept”, eine aufgeregte Debatte und Spekulationen ausgelöst, die EZB könne im Kampf gegen die Mini-Inflation auch dazu übergehen, Geld an Haushalte, Unternehmen oder Staaten zu verschenken. Vor allem in Deutschland gab es einen Aufschrei. Im März lag die Teuerungsrate im Euroraum erneut unter null, bei – 0,1 %, wie Eurostat gestern schätzte. Die EZB strebt knapp 2 % an.Anders als die Mehrheit der deutschen Ökonomen steht der linksorientierte Volkswirt Bofinger dem aggressiven EZB-Kurs grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Dem Helikoptergeld kann aber auch er nichts abgewinnen. “Das ist eine fiskalpolitische, keine geldpolitische Aufgabe.” Kritisch äußerte er sich auch zu dem Lockerungspaket der EZB von Mitte März. “Meiner Ansicht nach hat Draghi jetzt überzogen”, sagte er: “Die Gefahr ist, dass auch Draghi am Ende als Kaiser ohne Kleider dasteht.” Für sinnvoll hielte es Bofinger dagegen, wenn die EZB auch ihren Leitzins unter null senken würde. Das würde die Banken stützen. “Das ist eine Schraube, die die EZB viel besser nutzen könnte”, betonte er.Grundsätzlich plädierte Bofinger aber dafür, die Geldpolitik zu entlasten. Nötig seien deutlichere Lohnsteigerungen, vor allem in Deutschland, und mehr Stimulierung durch die Fiskalpolitik. Besorgt äußerte er sich über den Zustand Europas. Für ihn gibt es nur einen Ausweg: “Wir sind verdammt, den Weg zu einer engeren Integration weiterzugehen.”—– Bericht Seite 6- Interview Seite 7- Leitartikel Seite 8