Wohnungsbau kommt nicht voran
Wohnungsbau
kommt nicht voran
2023 weniger Fertigstellungen − Bauüberhang verringert sich
ba Frankfurt
Trotz Konjunkturflaute sind in Deutschland 2023 annähernd so viele Wohnungen gebaut worden wie im Jahr zuvor. Dies reicht allerdings bei Weitem nicht aus, um den vor allem in Großstädten hohen Bedarf zu decken, und auch das von der Ampel-Regierung ausgerufene Bauziel liegt in weiter Ferne. Eine baldige Besserung scheint unwahrscheinlich, nachdem weniger Baugenehmigungen erteilt wurden und die Materialkosten weiter hoch sind. Zwar steht die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) an, es dürfte aber dauern, bis sich die Finanzierungskonditionen dadurch wieder etwas lockern. Die Stimmung in der Bauwirtschaft ist trübe, Stornoquote und Auftragsmangel sind hoch.
„Kaum verändert“
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) wurden im vergangenen Jahr 294.400 Wohnungen gebaut. Das sind 0,3% oder 900 Wohnungen weniger als 2022. „Damit hat sich die Zahl der jährlich fertiggestellten Wohnungen seit dem Jahr 2021 kaum verändert“, betonten die Wiesbadener Statistiker: 2021 waren es 293.400 Wohnungen und 2022 dann 295.300. Zum Vergleich: In den Jahren zuvor haben die Zahlen kräftig angezogen, so wurden 2010 noch 159.800 Wohnungen fertiggestellt, 2020 waren es dann 306.400. Das Rekordhoch seit der Wiedervereinigung Deutschlands stammt aus dem Jahr 1995, als 602.800 Wohnungen fertiggestellt wurden. Bei den Zahlen handelt es sich jeweils um Baufertigstellungen für neue Gebäude, Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden sowie Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden.
Experten hatten allerdings befürchtet, dass die Baulücke noch größer ausfallen könnte − die Prognosen lagen bei 215.000 bis 270.000 Wohnungen. Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Zielgröße von jährlich 400.000 neuen Wohnungen fixiert. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) allerdings taxiert die Neubaulücke auf 600.000 Wohnungen, bis 2027 dürfte dieser Wert auf bis zu 830.000 Wohnungen steigen. Die Branche fordert daher seit längerem einerseits höhere Staatshilfen wie etwa Zinsverbilligungsprogramme für private Investoren. Andererseits beklagen die Verbände teure Baustandards, etwa mit Blick auf die Energieeffizienz oder Umweltschutzauflagen. Auch seien die Planungs- und Genehmigungszeiten zu lang.
„So schön das Ergebnis für 2023 auch ist, vor allem in den Ballungsgebieten und ihrem Umland bauen wir weiter dem steigenden Bedarf hinterher“, erklärte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Viele der 2023er-Fertigstellungen „dürften noch auf Genehmigungen zurückzuführen sein, die in den Jahren bis 2022 unter deutlich besseren Rahmenbedingungen beantragt und erteilt worden sind“. Davon könne in den nächsten Monaten nicht mehr gezehrt werden, heißt es auch beim ZIA. „Die Folgen der rapiden Zins- und Baukostensteigerungen werden uns dann mit voller Wucht treffen“, warnt ZIA-Präsident Andreas Mattner.
Er fordert ein Umsteuern bei der Staatsquote. Deutschland könne es sich nicht länger erlauben, „mit einem staatlichen Anteil von 37% der Kosten beim Erstellen von Wohnungen die höchste Belastung in Europa zu verursachen“. Würden die Bundesländer realisieren, dass niedrigere Steuersätze ein Mehr an Fertigstellungen und damit auch an Einnahmen bringen werden, ergebe sich eine Win-win-Situation, sagte er mit Blick auf die Steuerschätzung vergangene Woche. Die Steuerschätzer hatten die Einnahme-Erwartung bei der Grunderwerbsteuer für 2025 auf 12,55 Mrd. Euro beziffert, das wäre gegenüber 2022 ein Rückgang von fast 5 Mrd. Euro.
Abwicklung dauert länger
2023 wurden in Einfamilienhäusern und Wohnheimen weniger Wohnungen geschaffen als im Vorjahr, wohingegen in Zwei- und Mehrfamilienhäusern mehr neue Wohnungen entstanden. Dabei erhöhte sich die durchschnittliche Abwicklungsdauer, also die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung, von 20 Monaten im Jahr 2020 auf 24 Monate im vergangenen Jahr. Mit 259.600 − ein Rückgang um 26,7% zum Vorjahr und der niedrigste Wert seit 2012 − liegt die Zahl der Baugenehmigungen deutlich unter jener der fertiggestellten Wohnungen.
Bauüberhang verringert sich erstmals seit 2008
Dadurch verringert sich der sogenannte Bauüberhang − die Zahl bereits genehmigter, aber noch nicht fertiggestellter Wohnungen − erstmals seit 2008, und zwar um 58.100 zum Vorjahr auf 826.800. Den bisher höchsten Bauüberhang hatten die Statistiker 1995 mit 928.500 Wohnungen gemessen. Der Rückgang des Bauüberhangs gründet laut Destatis auch auf der hohen Zahl von 22.700 erloschenen Baugenehmigungen. Bei diesen ist in der Regel die mehrjährige Gültigkeit der Genehmigung abgelaufen.
2022 wurde mit 22.800 erloschenen Baugenehmigungen der höchste Wert seit 2006 verzeichnet.