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Wunschkandidat des Wirtschaftsflügels

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 30.10.2018 Der Wirtschaftsflügel der CDU dürfte jubilieren, wenn es Friedrich Merz gelingen sollte, Nachfolger Angela Merkels an der Parteispitze der CDU zu werden. Nach Meldungen, wonach Merz wieder in...

Wunschkandidat des Wirtschaftsflügels

Von Stephan Lorz, FrankfurtDer Wirtschaftsflügel der CDU dürfte jubilieren, wenn es Friedrich Merz gelingen sollte, Nachfolger Angela Merkels an der Parteispitze der CDU zu werden. Nach Meldungen, wonach Merz wieder in die Politik zurückkehren und für das Amt des CDU-Bundesvorsitzenden kandidieren will, äußerten sich immer mehr Unionsgranden ausgesprochen euphorisch zu diesem Vorhaben.Wie groß Merz` Chancen tatsächlich sind, ist indes unklar, da neben ihm auch die bestens vernetzte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn in den Ring steigen wollen – Erstere steht für die “Merkel-CDU”, Letzterer für die jüngere Generation. Auch der Name von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wird immer wieder genannt. So unbestritten Merz` Qualifikationen als Jurist, Ökonom, Finanz- und Steuerexperte sowie als Polit-Manager auch sind, so steht er doch nach wie vor für die Unionslinie “vor Merkel”, quasi für die “alte Garde”, die es eigentlich abzulösen gilt.Der 62-Jährige hatte sich einst aus Frust über Merkel aus der aktiven Politik zurückgezogen. Die hatte nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 den Posten der Fraktionschefin im Bundestag für sich beansprucht – und damit Merz, der den Job im Jahr 2000 übernommen hatte, aus dem Amt gedrängt. Das hat er nie so recht verwunden. 2009 zog er sich weitgehend aus der aktiven Politik zurück und bekundete stets, dass er dies keineswegs als Warteposition für einen politischen Neuanfang sehen würde.Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Aufgaben als Senior Counsel bei der internationalen Kanzlei Mayer Brown, wo er vor allem Unternehmen aus der Finanzbranche berät. Zugleich ist er Aufsichtsratschef beim deutschen Ableger des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock und nimmt dessen Interessen hierzulande war. Ferner gehört er zahlreichen anderen Aufsichtsräten an wie jenen des Axa-Konzerns, der DBV Winterthur, der Deutschen Börse, der IVG Immobilien und der Wepa Industrieholding. 2010 stand er in der Kritik, weil er bei dem Verkaufsprozess der WestLB für – aus Sicht von Beobachtern – außergewöhnlich hohe Honorarsätze arbeitete. AtlantikerAuch zu vielen anderen aktuellen Fragen äußerte er sich freimütig in der Öffentlichkeit und aktualisierte damit sein politisches Profil. Er äußerte etwa Sorge über das Auseinanderdriften der politischen und wirtschaftlichen Eliten auf der einen und großer Teile der Bevölkerung auf der anderen Seite. Zu lange, so Merz, habe man es “als selbstverständlich hingenommen, dass die Bevölkerung den Weg immer weiter mitgeht und alle Entscheidungen mitträgt, auch wenn es immer komplizierter wird”. Das wachsende Misstrauen in die Eliten wird Merz zufolge auch durch “Vergütungsexzesse” in der Wirtschaft befördert. Das trage “zur Zerstörung der Wirtschaftsordnung von innen” bei.In seiner aktiven politischen Zeit machte sich Merz als Verfechter einer Vereinfachung des Steuerrechts einen Namen (“Bierdeckel-Reform”) und prägte den Begriff der “deutschen Leitkultur”, der auch aktuell wieder debattiert wird im Zuge der Zuwanderungs- und Fluchtbewegung nach Deutschland.Nach wie vor erinnern sich manche Anhänger der Unionsparteien mit Wehmut an Merz, der für Konservatismus und Wirtschaftsliberalität steht und als Verteidiger der Werte der Sozialen Marktwirtschaft gilt. Er steht damit auch für einen Kurswechsel: weg von der Sozialdemokratisierung zurück auf die alten Pfade einer wertkonservativen Partei, was der CDU verlorenes Selbstvertrauen zurückgeben könnte. Als begnadeter Redner könnte er für diesen Kurs begeistern, zumal seine Erfahrung aus der Wirtschafts- und Finanzwelt dem oftmals realitätsfernen Politikbetrieb sicher guttun würde. Und seine lange Polit-Abstinenz? Die könnte sich in einen Vorteil wandeln, weil er viele Themen ohne Vorbelastung angehen könnte. Neue NetzwerkeSchon länger fehlt der Union obendrein eine Identifikationsfigur, die Meinungen artikulieren und auf den Punkt bringen kann. Das würde der Partei Kontur verleihen. Zugleich ist Merz in der Lage, Debatten die nötige Struktur zu geben, um auch komplexe Sachverhalte für die Diskussion herunterzubrechen. Ob derlei Fähigkeiten indes für den Vorsitz reichen, ist zweifelhaft, da sich in der CDU inzwischen viele neue Netzwerke gebildet haben. Es käme auf einen Test an.