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Yellen und Warsh als Kandidaten für Fed-Duell vorn

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 13.9.2017 Im Rennen um den Chefsessel bei der US-Notenbank haben sich nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen zwei außerordentlich kontrastreiche Kandidaten als Favoriten herauskristallisiert. Die...

Yellen und Warsh als Kandidaten für Fed-Duell vorn

Von Peter De Thier, WashingtonIm Rennen um den Chefsessel bei der US-Notenbank haben sich nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen zwei außerordentlich kontrastreiche Kandidaten als Favoriten herauskristallisiert. Die besten Chancen haben demnach der frühere Fed-Gouverneur Kevin Warsh (47) – er lehrt derzeit an der Stanford Universität in Kalifornien – und die amtierende Notenbankvorsitzende Janet Yellen (71). Das bestätigt eine dem Weißen Haus nahestehende Quelle und entspricht auch den Erwartungen vieler Fed-Beobachter. Deren Ansicht nach ist Gary Cohn, als Vorsitzender des National Economic Council (NEC) faktisch der Chefvolkswirt von US-Präsident Donald Trump, aus dem Rennen so gut wie ausgeschieden. Cohn war bei Trump in Ungnade gefallen, als er dessen Aussagen im Gefolge der rassistisch motivierten Ausschreitungen in Charlottesville, Virginia, kritisiert hatte.Knapp favorisiert wird der Ökonom und Jurist Warsh aus mehreren Gründen. Zum einen hat er als früherer Banker bei Morgan Stanley – dort leitete er bereits mit Anfang 30 die Abteilung Mergers and Acquisitions – exzellente Kontakte zur Finanzwelt. Als jüngstes Vorstandsmitglied in der Geschichte der Zentralbank, eine Position, zu der ihn der frühere US-Präsident George W. Bush 2006 ernannt hatte, war Warsh die zentrale Verbindungsperson der Notenbank zur Wall Street. Aus der Sicht des amtierenden Präsidenten ist aber insbesondere die Loyalität wichtig, die ihm der Banker erwiesen hat. Ende 2016 war Warsh einem Beratergremium beigetreten, das Trump aus führenden Wirtschaftsbossen, Finanziers und Akademikern zusammengestellt hatte. Jung, reich, prominentHinzu kommen zwei weitere Attribute, deren Bedeutung nach Darstellung von Personen, die mit den Denkschemen des Präsidenten vertraut sind, nicht unterschätzt werde dürfen: Trump umgibt sich gern mit jungen Menschen und stattet diese mit wichtigen Ämtern aus. Auch hat der Präsident immer gern Reiche und Prominente in seiner Nähe. Warshs Ehefrau Jane Lauder ist Enkelin von Estée Lauder sowie eine Erbin des weltweit bekannten Kosmetikimperiums.Sollte er den Zuschlag bekommen, dann würde Yellens Nachfolger die Antithese zu jenem behutsamen und graduellen Kurs verkörpern, den die oberste Währungshüterin steuert. Die Nationalökonomin, die bereits 1994 im Direktorium der Fed saß und dann Chefvolkswirtin unter Präsident Bill Clinton wurde, ehe sie die Leitung der Notenbank von San Francisco übernahm, plädiert nicht nur für langsame Zinserhöhungen. Auch stand sie der Erholung am Arbeitsmarkt lange Zeit skeptisch gegenüber und hob die Bedeutung von qualitativen Kriterien wie der Beteiligungsquote hervor. Zwar wird allgemein erwartet, dass die Fed – Yellens erste Amtsperiode endet am 31. Januar 2018 – demnächst mit der Reduzierung ihrer Bilanzsumme beginnen wird. Dieser Prozess würde ebenso wie die zinspolitische Normalisierung unter Warsh aber vermutlich schneller über die Bühne gehen.Warsh, der nach dem Bachelor-Abschluss in Stanford an der Harvard-Universität Jura studierte, hat scharfe Kritik an den Anleihenkaufprogrammen geübt. Diese würden die Kurse an den Finanzmärkten hochtreiben, ohne nennenswerte gesamtwirtschaftliche Wirkung zu entfalten. Auch ist er ein Inflationsfalke, der meint, dass zu geldpolitischen Zwecken die Definition der Inflation weiter gefasst werden sollte und auch die Rohstoffpreise berücksichtigen müsste. Warsh geht sogar so weit, das Inflationsziel der Notenbank zu kritisieren. Dieses gebe den Währungshütern zu wenig Flexibilität, meint er. Vorziehen würde er stattdessen eine Zielzone von 1 bis 2 %.Der größte Unterschied in den Positionen der beiden Kandidaten besteht aber in der Bankenregulierung, die Yellen um keinen Preis lockern will, während Warsh als Gegner des Dodd/Frank-Gesetzes und der verschärften Finanzmarktaufsicht gilt.Nachdem die amtierende Fed-Chefin Ende August in einer Rede ihre Position entsprechend artikuliert hatte, sollen die Chancen, ihren Job zu behalten, wieder gesunken sein. Davon will wiederum der immer unberechenbare Trump nichts wissen. Er bestätigte kürzlich, dass Yellen “selbstverständlich noch im Gespräch” ist. Signale dafür gab auch US-Finanzminister Steve Mnuchin, der Yellen gestern als “talentiert” lobte, aber gleichzeitig hervorhob, dass auch andere Kandidaten zur Disposition stünden. So wahrscheinlich ein Duell zwischen Warsh und Yellen auch sein mag, weisen aber selbst Trump nahestehende Quellen darauf hin, dass beim Präsidenten ein Sinneswandel in letzter Minute nie auszuschließen ist.