LEITARTIKEL

Yogastunde für den Yuan

Eine erhöhte Flexibilisierung und stärker marktgetriebene Beweglichkeit der chinesischen Währung gehört zu den erklärten Zielen der chinesischen Finanzreformagenda und wird auch von der internationalen Finanzgemeinde, der US-Regierung und dem...

Yogastunde für den Yuan

Eine erhöhte Flexibilisierung und stärker marktgetriebene Beweglichkeit der chinesischen Währung gehört zu den erklärten Zielen der chinesischen Finanzreformagenda und wird auch von der internationalen Finanzgemeinde, der US-Regierung und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) immer wieder eingefordert. Gleichzeitig scheut die Community aber nichts mehr als heftige Ausschläge des Yuan, zumindest wenn sie auf eine Schwächung des Wechselkurses zum Dollar hinauslaufen.Nach den chaotischen Erfahrungen mit einer vom IWF richtig eingeschätzten, an den Märkten aber gründlich missverstandenen Abwertung des Yuan im vergangenen Sommer und heftigen Baissespekulationen bei gleichzeitig massiver Kapitalabwanderung zu Jahresbeginn scheint die People’s Bank of China (PBOC) das Übungsprogramm wieder unter ein strengeres Regiment gestellt zu haben. Offiziell lautet die Devise, dass die Stabilität des Yuan absoluten Vorrang hat. Bei nervöser Marktverfassung und einer recht fragil wirkenden chinesischen Konjunktur ist erhöhte Vorsicht angesagt. Es gilt, wenn man so will, als vorrangiges Exerzitium zunächst einmal unter strikter Anleitung der PBOC den Beckenboden zu stärken, bevor man sich auf gewagtere und anspruchsvollere Dehnübungen einlässt.Das seit einem G 20-Treffen vom Februar in Schanghai immer wieder neu rezitierte Stabilitätsmantra für den Yuan steht freilich unter gewissen Interpretationsvorbehalten. Es gibt noch immer keine Klarheit darüber, ob die Notenbank den zum Jahresende 2015 öffentlich gemachten hauseigenen Währungskorbindex oder wie bislang den Dollar als eigentliche Orientierungsmarke nimmt. Auch scheint sie noch stärker unter Regieanweisung eines mächtigen und mysteriösen Gurus im Hintergrund zu stehen, nämlich der zunehmend auf die Wirtschaftslenkung direkt Einfluss nehmenden Parteiführung in Peking.Ziemlich eindeutig ist jedenfalls, dass die im August mit dem damals heftigen Abwertungsschritt ausgerufene “Marktorientierung” beim täglichen Festsetzen des offiziellen Referenzkurses zwischen Yuan und Dollar, um den die Devise im Handel 2 % schwanken darf, wieder passé ist. Die Experten betonen, dass das Fixing der PBOC äußerst willkürlich wirkt und sich nicht mehr nachvollziehbar an dem im Handel erzielten Spot-Kurs des Vortages orientiert. In der ersten Frühjahrshälfte sah man diesbezüglich kaum Spannungen an den Märkten. Angesichts einer Schwächephase des Dollar war es keine allzu große Herausforderung für die PBOC, den Yuan zum Dollar einigermaßen stabil zu halten und dabei eine den Außenhandel schonende und an den Märkten als unkritisch angesehene leichte Abwertung zu anderen führenden Devisen beziehungsweise dem Währungskorb hinzukriegen.Nun aber, da die amerikanische Zentralbank die Leitzins-Zügel wieder anzuziehen gedenkt und der Dollar insbesondere gegenüber Schwellenländerdevisen wieder nach oben geht, wird die Angelegenheit wesentlich heikler. Die PBOC scheint anders als in der ersten Jahreshälfte 2015 nicht mehr bereit zu sein, der Dollaraufwertung sklavisch zu folgen. Damals hatte man die Devise nahe an einer ambitiösen Marke von 6,20 Yuan zum Dollar gehalten, mittlerweile tendiert sie in Richtung 6,60 Yuan je Dollar und lotet damit immer neue Fünfjahrestiefs im bilateralen Wechselkursverhältnis aus. Bislang ist die Marktstimmung noch relativ gelassen, doch könnten 6,60 Yuan zum Dollar eine psychologische Barriere abgeben, bei deren Überschreiten neue Spekulationswellen in Sachen Yuan-Baisse und eine erneute “Flucht in den Dollar” seitens chinesischer Unternehmen und auch Privatanleger einsetzen. Wie man zu Jahresbeginn sehen konnte, droht dies mit heftigen Marktkorrekturen auf globaler Ebene und insbesondere auch bei Aktien einherzugehen.Seitens der US-Regierung ist man sehr vorsichtig geworden, China einer bewussten Yuan-Schwächung zu bezichtigen und eine flexiblere beziehungsweise stärker marktgelenkte Wechselkurspolitik einzufordern. Zum einen gilt es im laufenden US-Wahlkampf mit einem Donald Trump als Hauptprotagonisten kein Öl ins Feuer zu gießen. Zum anderen ist man sich darüber im Klaren, dass in der gegenwärtigen Situation marktgetriebene volatilere Ausschläge des Yuan auf eine deutliche Schwächung zum Dollar hinauslaufen. Derzeit will niemand so recht den flexibleren und marktgetriebenen Yuan, denn dann muss man sich auf eine abenteuerliche weltweite Schwitz-Yoga-Session gefasst machen.——–Von Norbert HellmannDer neuerliche Dollar-Auftrieb bringt Chinas Zentralbank in Schwierigkeiten. Ein flexiblerer Yuan ist nur zum Preis einer deutlichen Abschwächung zu haben.——-