Zeichen gesetzt
Die Beziehungen zwischen Paris und Rom sind von viel Auf und Ab geprägt. Als der jetzige Außenminister und damalige Vize-Regierungschef Luigi Di Maio 2019 die „Gelbwesten“ in Frankreich unterstützte, war das Verhältnis am Tiefpunkt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zog zeitweise den Botschafter aus Rom ab. Das Projekt eines Kooperationsvertrages wurde auf Eis gelegt.
Seit jedoch Mario Draghi Regierungschef ist, steht es zum Besten zwischen beiden Ländern. Die Chefs treffen sich regelmäßig und verstehen sich hervorragend. Nun unterzeichnen Draghi und Macron – bisweilen „Dracron“ genannt – den Quirinalsvertrag, benannt nach dem Amtssitz des italienischen Präsidenten Sergio Mattarella. Der Bezug zum Élysée-Vertrag von 1963 zwischen Deutschland und Frankreich ist nicht zufällig.
Das schmeichelt vor allem Italien, das sich stets ausgeschlossen fühlte von den privilegierten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Macron und Draghi nutzen außerdem die Gunst der Stunde: Die neue deutsche Bundesregierung ist noch nicht im Amt, die alte aber nicht mehr handlungsfähig. Mit dem Freundschafts- und Kooperationsvertrag setzen sie ein Zeichen nach außen, nach Berlin, aber auch nach innen: Macron will im Frühjahr wiedergewählt werden. Und Draghi wird mit der Vereinbarung auch dann verbunden bleiben, wenn er längst nicht mehr Regierungschef ist.
Der Vertrag demonstriert, dass beide Länder gemeinsame Interessen haben, die sie gerade gegenüber der neuen deutschen Bundesregierung durchsetzen wollen. Sie wollen das Einstimmigkeitsprinzip in der EU in zentralen Politikfeldern aufgeben und den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufweichen. Sie streben eine Banken- und Fiskalunion, den gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen gegen Flüchtlingsströme, eine Stärkung der gemeinsamen Verteidigung und eine Verstetigung europäischer Transferleistungen durch die Aufnahme gemeinsamer Schulden an.
Rom und Paris hoffen auf eine neue Bundesregierung, die solchen Initiativen positiver gegenübersteht. Grundsätzlich ist es gut, wenn zwei Länder das auf vielen Gebieten gelähmte Europa voranbringen wollen. Doch die neue Bundesregierung sollte vorsichtig sein gegenüber dem Vorstoß von Frankreich und Italien, die historisch vor allem für ihre Schuldenpolitik und ihre Reformunfähigkeit bekannt sind. Die Rechnung könnte teuer werden für Berlin. Und die Nach-Draghi-Zeit kommt womöglich schneller, als es viele in Deutschland erwarten.