ZEW kritisiert Schwarzer-Peter-Spiel gegen Brüssel

Institutschef Wambach für mehr Parlamentsbeteiligung - Niedrigzinsen bringen Banken in die Bredouille

ZEW kritisiert Schwarzer-Peter-Spiel gegen Brüssel

lz Frankfurt – Das britische Brexit-Votum sollte nach Meinung des neuen ZEW-Präsidenten Achim Wambach dafür hergenommen werden, die nationalen Parlamente stärker als bisher in den europäischen Gesetzgebungsprozess einzubinden. Um künftige EU-Lösungen müsse vor den eigenen Wählern gerungen werden, dann könnten die Regierungen “nicht mehr so einfach den Schwarzen Peter nach Brüssel abschieben”, sagte der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Mittwochabend vor Journalisten in Frankfurt. Dazu müssten Vetopositionen abgeschafft und zugleich ein Europa vieler Geschwindigkeiten oder variabler Geometrien akzeptiert werden. Der dann folgende Institutionen- und Lösungswettbewerb werde schon dafür sorgen, dass die Integration weitergehe und viele Länder, die sich zunächst einem Schritt verweigerten, sich diesem dann später doch anschlössen, hofft er.Dass dieses Vorgehen erstmals bei der Abstimmung über das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen Ceta quasi erprobt wird, hält Wambach für sinnvoll. Die Debatte über Freihandel müsse schließlich offen geführt werden, betonte er. Dann werde sich schnell herausstellen, dass jedes Land Europas in der Gemeinschaft stets besser aufgehoben sei denn als Einzelgänger. Die Verhandlungsposition der EU sei einfach viel stärker.Was das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) angeht (Quantitative Easing, QE), so geht Wambach davon aus, dass sich die Käufe wegen der Brexit-Entscheidung noch länger hinziehen als geplant. Wambach: “So schnell werden wir nicht aus QE herauskommen.” Die Notenbank kauft derzeit monatlich Staats- und Unternehmensanleihen im Volumen von 80 Mrd. Euro. Bislang hatte die EZB die Laufzeit bis mindestens März 2017 angegeben.Die ultralockere Geldpolitik der EZB sieht der ZEW-Chef zwar skeptisch, hält sie allerdings nicht für den alleinigen Verursacher der niedrigen Zinsen am langen Laufzeitende. Hier kämen auch anderen Faktoren zum Ausdruck wie die Alterung der Gesellschaft.Für die europäischen Banken hält er die niedrigen Zinsen gleichwohl für “höchst gefährlich”. Eine ganze Reihe von Instituten würden “vom Markt verschwinden”, sagt er voraus. Die Niedrigzinsen würden zwar nicht gleich zu einem Schockzustand führen, sich aber “langsam in die Wirtschaft hineinfressen”. Das sei vielleicht noch gefährlicher. Insgesamt mache das die Banken nämlich anfälliger gegenüber Schocks, was sich vor dem Hintergrund des Brexit-Votums zeigen könne.Eine regelrechte Übernahme- und Fusionswelle erwartet er wegen der Niedrigzinsen unter den deutschen Sparkassen. Größere Geldhäuser müssten in diesem Umfeld noch mehr Eigenkapital aufbauen. Wambach: “Wir haben immer noch nicht die Eigenkapitalausstattung, die wir brauchen.” Für besonders verletzlich hält er die italienischen Banken. Sie wiesen hohe Bestände an faulen Krediten auf. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat nach seinem Dafürhalten hier in der Vergangenheit “zu generös evaluiert”. Das müsse die EZB jetzt besser machen. Sie habe schließlich ein großes Interesse daran, als verlässlicher Aufseher aufzutreten.