EZB-POLITIK UNTER BESCHUSS

Zinsentlastung verhilft Staaten zu solideren Finanzen

Einfluss der Geldpolitik auf die Fiskalpolitik unstrittig

Zinsentlastung verhilft Staaten zu solideren Finanzen

Von Stephan Lorz, FrankfurtDass die hochverschuldeten Staaten in der Eurozone finanziell vom Niedrigzinsniveau profitieren, ist offensichtlich. Das haben Berechnungen der Bundesbank zuletzt nochmal vor Augen geführt: Danach konnten die Euro-Staaten ihre Zinsausgaben seit 2008 um fast 1 Bill. Euro senken. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble räumt diesen Umstand unumwunden ein: “Wir haben natürlich bei den Zinsen gespart”, sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung, “weil die Zinsen durch die Geldpolitik der EZB so stark gesunken sind.” Die pekuniären Fakten stützen insofern die kritische Haltung der Verfassungsrichter zu den Staatsanleihekäufen der Notenbank.Denn ohne die Zinsentlastung, welche die unkonventionelle Geldpolitik mit sich gebracht hat, sähe die Lage der Staatsfinanzen nicht mehr so rosig aus wie von vielen Politikern stolz verkündet. Das gilt auch für Deutschland: Würde das Zinsniveau dem im Jahr 2007 entsprechen, gäbe es keinen Überschuss mehr von 0,8 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) wie noch für 2016 ausgewiesen. Stattdessen wäre ein Defizit von rund 1 % zu beklagen. Statt 43 Mrd. Euro müsste der Staat 64 Mrd. Euro Zinsen bezahlen, hat Deutsche-Bank-Ökonom Sebastian Becker errechnet und warnt vor fiskalischem Überschwang bei der Ausgabenpolitik: Denn alle “seit 2014 erwirtschafteten Haushaltsüberschüsse sind nur dank des Zinsverfalls erreicht worden”.Der Bundesbank zufolge profitierte von der Niedrigzinspolitik vor allem Italien. Bezogen auf seine Wirtschaftskraft mache die Zinsersparnis dort 10,5 % des BIP aus. Ähnlich hoch fielen die Entlastungen auch für die Niederlande, Österreich, Frankreich und Belgien aus. Deutschland liege mit 7,5 % im Mittelfeld.In einer Studie der KfW-Bank wurde zudem berücksichtigt, dass die Zinszahlungen auf die durch die Zentralbanken erworbenen Anleihen über den Notenbankgewinn wieder zurückfließen. Folge: Italien und Spanien hätten ihre Haushalte ohne geldpolitische Effekte um bis zu 2 % des BIP pro Jahr stärker konsolidieren müssen, um das heutige Niveau zu erreichen.Deutsche-Bank-Ökonom Becker verweist ferner auf die Folgen höherer Zinsen für die deutsche Staatsschuld. Ohne Niedrigzinsphase läge sie dann nicht bei 68,3 % des BIP, wie im Jahr 2016 gemeldet, sondern bei mehr als 75 % des BIP.