Schuldenaufnahme

Zinsschock trübt Lob für EU-Kommission

Seit 2021 nimmt die EU-Kommission in großem Stil Schulden auf. Dafür gibt es ein solides Zwischenzeugnis. Doch der unerwartet rasante Zinsanstieg wird zum Problem.

Zinsschock trübt Lob für EU-Kommission

Zinsschock trübt Lob für EU-Kommission

Solides Zwischenzeugnis für Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen in großem Stil – Zinserhöhungen belasten Budget

rec Brüssel

Seit 2021 nimmt die EU-Kommission erstmals in großem Stil Schulden an den Finanzmärkten auf – insgesamt mehr als 800 Mrd. Euro. Der Europäische Rechnungshof stellt ein solides Zwischenzeugnis aus. Inzwischen werden die unerwartet stark steigenden Zinsen allerdings immer mehr zu einem Problem für das EU-Budget.

Prüfer des Europäischen Rechnungshofs haben der EU-Kommission ein gutes Zwischenzeugnis bei der Aufnahme von Schulden an Europas Kapitalmärkten ausgestellt. Allerdings mischen sich in die positiven Eindrücke besorgniserregende Signale von der Zinsfront: Schätzungen zufolge könnten sich die Kosten für den Schuldendienst im Vergleich zu anfänglichen Hochrechnungen verdoppeln.

Als Reaktion auf die Coronakrise hatte die EU-Kommission mit Billigung der Mitgliedstaaten vor zwei Jahren den Wiederaufbaufonds Next Generation EU (NGEU) an den Start gebracht. Dafür nimmt sie erstmals in großem Stil Schulden an den Finanzmärkten auf – insgesamt mehr als 800 Mrd. Euro. Ungefähr die Hälfte dieser Summe sind Zuschüsse, die die EU-Staaten nicht zurückzahlen müssen (siehe Grafik).

Mit dem Wiederaufbaufonds ist die EU-Kommission zum fünftgrößten Emittenten von Staatsanleihen in Europa geworden. Nur Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien haben 2021 mehr Anleihen begeben, wie die Auswertung des Rechnungshofs zeigt. 2019 stand sie noch auf Rang 15. Bis 2026 wird die EU-Kommission stetig neue Gemeinschaftsanleihen platzieren und somit auf absehbare Zeit für regen Betrieb an den Bondmärkten sorgen.

Kritik aus EU-Parlament

Der Rechnungshof hat die erste Phase bis Mitte 2022 untersucht, also vor dem großen Zinsschock. Der Rechnungshof lobt die Kommunikation der EU-Kommission mit den Kapitalmärkten über ihre Pläne für Anleiheemissionen. Alle regulatorischen Anforderungen seien erfüllt. Das größte Investitions- und Anleiheprogramm in der Geschichte der EU sei unter schwierigen Umständen zügig auf den Weg gebracht worden, um die erforderlichen Finanzmittel rasch bereitzustellen.

Gleichwohl weisen die Prüfer auf gewisse Nachlässigkeiten hin. Die Ziele für das Schuldenmanagement seien strategisch nicht klar festgelegt. Die EU-Kommission solle durchgängig dokumentieren, auf welcher Grundlage sie Preise und Laufzeit syndizierter Anleihen beschließe. Das sei bislang nicht immer der Fall. Die Prüfer vermissen auch Angaben, inwieweit die Emission neuer Anleihen im Einklang mit der Taxonomie steht. Das Regelwerk für nachhaltige Anleihen ist unvollständig und steht häufig in der Kritik.

Alles in allem sei das Schuldenmanagement im Rahmen von NGEU „gut angelaufen“, urteilt der zuständige EU-Prüfer Jorg Kristijan Petrovic. Zugleich hebt Petrovic hervor, dass sich die Tilgung über mehr als drei Jahrzehnte erstrecken werde. „Daher muss die Kommission ihre schnell aufgebauten Kapazitäten entsprechend anpassen und besser über die Leistung ihres Schuldenmanagements Bericht erstatten.“

Der FDP-Europaparlamentarier Moritz Körner kommt zu einem weniger schmeichelhaften Zwischenfazit. „Das Schuldenmachen war Ursula von der Leyen offensichtlich wichtiger als das Schuldenmanagement“, sagte Körner der Börsen-Zeitung. Körner kritisiert mehrere Schwachstellen: Die Einnahmeseite des Wiederaufbaufonds sei bis heute nicht geklärt, die Zinsen stiegen rasanter als angenommen, ein relevanter Teil der EU-Anleihen gehe an Gläubiger außerhalb der EU: Somit drohe der EU „eine langfristige Beschränkung ihrer finanzpolitischen Handlungsfähigkeit“.

Es wird teurer als gedacht: EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn

Die Zinskosten für den Wiederaufbaufonds könnten mit 30 statt anfangs geschätzten 15 Mrd. Euro zu Buche schlagen. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik Bruegel im Auftrag der EU-Kommission. Schon für das laufende Jahr musste die EU-Kommission 280 Mill. Euro mehr an Zinszahlungen in den EU-Haushalt einstellen als geplant. Das geht aus einer Antwort von Haushaltskommissar Johannes Hahn an Körner hervor. Für 2024 weist der gerade veröffentlichte Budgetentwurf gar einen Aufschlag von rund 2 Mrd. Euro aus. Nur logisch, dass man in der Brüsseler Behörde immer intensiver über zusätzliche Einnahmequellen nachdenkt.

Wertberichtigt Seite 2
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