GASTBEITRAG

Zinswende in Euroland kein Schreckgespenst für Italien

Börsen-Zeitung, 6.1.2018 Wenn von einer künftigen Zinswende im Euroraum die Rede ist, richten sich die Blicke vielfach sorgenvoll gen Italien. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Währungsunion sei angesichts der hohen Verschuldung und anhaltender...

Zinswende in Euroland kein Schreckgespenst für Italien

Wenn von einer künftigen Zinswende im Euroraum die Rede ist, richten sich die Blicke vielfach sorgenvoll gen Italien. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Währungsunion sei angesichts der hohen Verschuldung und anhaltender Haushaltsdefizite besonders anfällig, heißt es dann oft. Mancher wähnt dann gar das Schicksal der Währungsunion in den Händen Roms. Solche Sorgen sind aber überzogen. Damit eine Zinserhöhung einen bedeutenden Effekt auf Italien und speziell die italienische Wirtschaft ausübt, müsste es schon zu einer kräftigen Korrektur kommen. Das sich jetzt abzeichnende Szenario für eine Wende seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) taugt nicht als Schreckgespenst für Italien.Die von den Märkten aktuell eingepreisten Zinserhöhungen im Euroraum scheinen niedriger auszufallen als während der Wirtschaftszyklen in der jüngsten Vergangenheit. Es wird erwartet, dass sich das Zinsniveau für Drei-Monats-Papiere erst ab März 2020 über der Nullgrenze bewegt. Dass die Finanzexperten keine signifikanten Zinserhöhungen erwarten, ist aber vor allem auch auf die Kommunikation der EZB zurückzuführen. Demnach ist vorgesehen, dass die Leitzinsen erst “weit” nach Ende der Nettoanleihekäufe (Quantitative Easing, QE) erhöht werden. Das Programm soll bis mindestens Ende September 2018 laufen. Geringe AnhebungDie erwartete Zinserhöhung wird, da sie eher bescheiden ausfallen dürfte, während der kommenden drei Jahre kaum Auswirkungen auf die Inlandsnachfrage oder die Fiskalpolitik in Italien haben. Was die privaten Investitionen betrifft, so sind diese nicht so sehr von den Zinskosten, sondern von der Nachfrageentwicklung abhängig. Die Nachfrage hat sich in letzter Zeit aber bereits verbessert. Dadurch können etwaige Zinserhöhungen aufgefangen werden. Für die Nachfrageentwicklung bei dauerhaften Konsumgütern spielt die Entwicklung der Einkommen und der Beschäftigung eine größere Rolle als die Zinsen. Im Übrigen weisen Italiens private Haushalte im europäischen Vergleich eine äußerst geringe Verschuldung auf.Bei der derzeit stattfindenden Nachfragebelebung haben sich zudem sowohl die Rentabilität als auch die Finanzstruktur der Unternehmen verbessert. Jene Unternehmen, welche die Krise überlebt haben, haben auch an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Italien weist auch einen soliden Überschuss in der Handels- wie in der Zahlungsbilanz aus. Dies festigt die Position der Unternehmen gegenüber dem Ausland. Auch das Kreditsystem präsentiert sich heute in einer solideren Verfassung als noch vor wenigen Jahren. Intesa Sanpaolo rechnet für 2017 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 bis 1,6 % und für 2018 mit einer Expansion von mehr als 1 %. Verzögerte WirkungTheoretisch könnte sich eine Zinskorrektur natürlich negativ auf die Staatskonten auswirken. Der Staat weist eine Verschuldung von mehr als 130 % der Wirtschaftsleistung auf. Die durchschnittlichen Kosten der Verschuldung liegen derzeit bei 3 %. Diese Durchschnittskosten werden nicht sofort auf mögliche Zinskorrekturen reagieren. Die Zinsen hängen auch vom Rückzahlungstermin ab. Selbst wenn die EZB die Zinsen schneller erhöhen sollte als derzeit von den Märkten erwartet, werden die kurzfristigen Zinsen noch einige Jahren unter den durchschnittlichen Kosten der Schuldenrückzahlung verharren. Dies bedeutet, dass die Erhöhung der Zinsausgaben für die Schuldenrückzahlung noch mehrere Jahre lang relativ bescheiden bleibt.Die Auswirkung der Zinserhöhung könnte jedoch negative Effekte auf Italiens Wirtschaft haben, sollte sie von einer Aufwertung des Euro flankiert werden. Die Realität sieht aber anders aus: In den nächsten Monaten könnte die US-Notenbank Fed ihren geldpolitischen Straffungskurs verschärfen, da die Märkte bislang die US-Zinskorrekturen zu wenig widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund ist eine Stärkung des Dollar nicht auszuschließen.Kurzum: Italiens Wirtschaft ist Anfang 2018 besser für ein Ende der ultralockeren Geldpolitik gerüstet als noch vor einem Jahr.—-Gian Maria Gros-Pietro, Präsident Banca Intesa Sanpaolo