Zu früh für Entwarnung
Die guten Nachrichten aus dem Arbeitskreis der Steuerschätzer könnten zu guter Laune verleiten. Doch die ist trügerisch. 16 Mrd. Euro mehr Steuereinnahmen sagen die Schätzer für 2020 und die nächsten vier Jahre voraus. Dies ergibt sich aus der Addition über alle Jahre und quer über alle Gebietskörperschaften – verglichen mit der Interimsschätzung im September. Vor gut acht Wochen hatten die Steuerschätzer eine Extrarunde eingelegt, weil die Bundesregierung nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie die Haushaltsaufstellung 2021 in diesen Herbst verschoben hatte. Dieser Schritt war von der Hoffnung getragen, dann die Krisenentwicklung besser einschätzen zu können.Die optimistischeren Zahlen der Schätzer gehen auf die zwei Wochen alte, bessere Konjunkturprognose der Bundesregierung zurück. Der unbeschwerte Sommer, in dem die Pandemie von uns abzulassen schien, und das überraschend starke Wachstum im dritten Quartal haben im Haus von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den erwarteten Einbruch der Wirtschaft in diesem Jahr etwas milder ausfallen lassen. Dies spiegelt sich nun in den Zahlen der Steuerschätzer. Nicht eingerechnet sind dort die Folgen des vorerst für den November verhängten Teil-Lockdowns für Orte des Vergnügens und der Geselligkeit. Kurzum: Alle Zahlen stehen auf tönernen Füßen, auch die der Steuerschätzer. Denn es ist offen, wie lang die aktuelle Wirtschaftsbremse anhält und ob noch weitere folgen müssen.Die vermeintlich guten Nachrichten verstellen auch den Blick darauf, dass die Steuereinnahmen trotz Revision noch weit hinter dem Vorkrisenniveau zurückliegen. Zugleich zeigt sich, dass die Länder durch die jüngste föderale Neuverteilung von Steuersubstrat, bei der sie dem Bund Mittel abluchsten, in eine deutlich bessere Position gelangt sind. Während die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen im Verlauf des Jahres 2022 wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen, ist dies bei den Ländern schon nach zwei Jahren der Fall. Der Bund braucht dafür vier Jahre bis 2023.Je höher die Staatsschulden durch die Krise nach oben gehen, desto stärker wird der Ausgabenspielraum in den nächsten Jahren eingeschränkt. Die Schuldenbremse zwingt erstmals zu echter Tilgung. Die mittelfristige Finanzplanung in Bund, Ländern und Gemeinden war zudem noch auf höhere Einnahmen ausgelegt. Steuererhöhungen helfen nur theoretisch. Sie bremsen Wachstum und damit die Dynamik des Steueraufkommens. Für Entwarnung ist es noch zu früh.