EUROSCHULDENKRISE

"Zuckerbrot und Peitsche" in Anleihetauschverfahren

Lösungsmöglichkeiten bei Staatsschuldenkrisen

"Zuckerbrot und Peitsche" in Anleihetauschverfahren

Von Matthias Frhr. v. Tiesenhausen *)Kommt ein Staat in die Situation, seine Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können, oder steht er, wie jüngst Griechenland, kurz davor, wird er versuchen, seine Verbindlichkeiten bei seinen Gläubigern gegen neue Schulden mit für ihn günstigeren Konditionen einzutauschen. Ob er diese Umschuldung erfolgreich durchführen kann und damit eine wirtschaftliche Atempause für die Umsetzung von notwendigen Strukturreformen erhält, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dem Schuldnerstaat wird es vordringlich darum gehen, die Gläubiger zu einem teilweisen Erlass seiner Schulden zu bewegen sowie die Zinslast auf seine Schulden zu reduzieren und die Rückzahlungstermine seiner Anleihen und Kredite hinauszuzögern. Ein Blick auf die Staatsschuldenkrisen der 1980er und 1990er Jahre in Lateinamerika (z. B. Mexiko 1989, Brasilien 1992) zeigt, dass es einer Reihe von Staaten gelang, durch Anleihetauschverfahren, flankiert von Strukturreformen, ihre Staatsfinanzen wieder in den Griff zu bekommen.Die Gläubiger wiederum werden der Aufforderung zur Teilnahme an einem Anleihetausch desto eher nachkommen, je solider Ihnen ein präsentiertes Sanierungsprogramm für den betroffenen Schuldnerstaat vorkommt und je vorteilhafter die Gestaltung der im Austausch angebotenen Anleihen hinsichtlich einer zukünftigen einseitigen Umgestaltung durch den umschuldenden Staat sind. Hierbei kann auch die Motivation der Gläubiger eine Rolle spielen, lieber an einem ersten Schuldenschnitt teilzuhaben und die Verbindlichkeiten in solche Schuldverschreibungen zu tauschen, die vor einem etwaig notwendig werdenden weiteren Schuldenschnitt geschützt sind. Schutz bieten in diesen Fällen vor allem solche Klauseln, die es dem Schuldnerstaat verbieten, einseitig Anleihebedingungen zu Lasten der Gläubiger zu ändern. Hierzu gehören die Vereinbarung eines neutralen Rechts, das heißt gerade nicht das Recht des Schuldnerstaates, sowie die Vereinbarung über einen Gerichtsstand, der außerhalb des Schuldnerstaates liegt.Als ein weiteres “Zuckerbrot”, um die Anleihegläubiger zu einem Tausch Ihrer Verbindlichkeiten zu bewegen, kann der Schuldnerstaat seinen Gläubigern anbieten, sie an einer möglichen Erholung seiner Volkswirtschaft finanziell partizipieren zu lassen. Im Falle der Umschuldung Argentiniens sahen einige der Umtauschanleihen zusätzliche Zinszahlungen für den Fall vor, dass das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes über 3 % pro Jahr liegen sollte. Bereits im Vorfeld der Umschuldung (und auch danach) wurde dieser Prozentsatz deutlich überschritten, was den Anlegern erhebliche zusätzliche Erträge bescherte.Auch Griechenland hat im Februar dieses Jahres seinen Gläubigern als Teil des Umtauschpakets an das griechische Bruttoinlandsprodukt gekoppelte Anleihen angeboten. Diese sehen eine Auszahlung von Zinsen allerdings nur für den Fall vor, dass das Wachstum des griechischen Bruttoinlandsprodukts stärker ausfällt, als es von der so genannten Troika – bestehend aus Repräsentanten der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds – prognostiziert wurde.Alle die vorgenannten Anreize können natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Investoren Maßnahmen wie Schuldenschnitte, Zinsreduktionen und Zahlungszielverlängerungen nur höchst widerwillig zustimmen. Sie werden dies in der Regel nur tun, wenn sie davon überzeugt sind, dass eine Verweigerung der Teilnahme an der Restrukturierung der Staatsschulden (sogenannte Hold-out-Strategie) für sie teurer sein wird als eine Beteiligung daran, dass sich also durch eine Verweigerung kein Sondervorteil erzielen lässt. Denn die meisten Gläubiger handeln bei einer Umschuldung durchaus rational, das heißt sie vergleichen nicht den Nominalwert ihrer Altverbindlichkeiten mit dem Nominalwert des Umschuldungsangebots. Vielmehr vergleichen sie die Nettobarwerte von Alt- und Neu-Anleihen – und zwar unter Einbeziehung des am Markt bereits eingepreisten Wertverlustes ihrer Altanleihen (Marked-to-Market).Argentinien hat gegenüber seinen Gläubigern mit der Verkündung des Staatsnotstandes 2001 und der Einstellung der Bedienung seiner Auslandsschulden eine nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts rechtswidrige Drohkulisse aufgebaut, dass nicht zustimmende Gläubiger (sogenannte Hold-outs) keine Aussicht auf irgendwelche Zahlungen mehr hätten. Dabei nahm Argentinien eine bis zum heutigen Tag andauernde Serie von Klagen und verschiedenste Vollstreckungsversuche seiner enttäuschten Gläubiger in Kauf. (So zuletzt der Arrest eines argentinischen Segelschulschiffes durch ein Gericht in Ghana.) “Zwangsweise” TeilnahmeIm Falle Griechenlands kam das Instrument der “Peitsche” für die Gläubiger in Gestalt von nachträglich in die Anleihebedingungen seiner griechischem Recht unterstehenden Staatsanleihen eingefügten sog. Collective Action Clauses. Diese Klauseln erlauben es einer Mehrheit von Anleihegläubigern, mit dem Emittenten Änderungen der Anleihebedingungen zu vereinbaren (z. B. Kapitalverzicht, Verringerung von Zinsen, Verlängerung von Zahlungszielen), die auch für die überstimmte Minderheit der Gläubiger bindend sind. Die von Griechenland nachträglich eingefügten Klauseln sahen vor, dass im Falle der Annahme des Umtauschangebots durch eine vorher bestimmte Mehrheit der Gläubiger auch die sich weigernden beziehungsweise passiven Gläubiger “zwangsweise” an der Umschuldung teilnehmen mussten. Dieses Szenario, zusammen mit der fehlenden Aussicht, dass Griechenland durch andere Länder oder Institutionen in letzter Minute noch eine entscheidende Finanzhilfe erhalten (Bail-out) oder ein verbessertes Angebot vorlegen würde, veranlasste eine deutliche Mehrheit der Gläubiger, die angebotene Umtauschlösung anzunehmen.—-*) Matthias Frhr. v. Tiesenhausen ist Director and Senior Counsel im Bereich Legal der Deutsche Bank AG.