Zugpferd Dienstleister kommt langsam ins Laufen
“Ja! Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt.” Dieses Lied der Bochumer Band Geier Sturzflug aus den beginnenden achtziger Jahren zeigt, wie angeblich selbstverständlich es war, Wirtschaftswachstum zu erzeugen: Alle packen an und werden mit Konsum belohnt.Dass Wachstum aber gar nicht so einfach zu generieren ist, wird deutlich, wenn man manche Länder der Eurozone und einzelne deutsche Bundesländer betrachtet. So zeigen die gerade veröffentlichten Daten für das regionale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2014, dass das Wachstum in Nordrhein-Westfalen (NRW) abermals unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt lag, wenn auch diesmal nur geringfügig. Strukturelle Anpassungsprozesse bremsen das Bundesland zumeist im Industriesektor. Gedeckeltes Wachstum 2015Doch es gibt auch Verbesserungen: Bei den Dienstleistern wurden viele Arbeitsplätze geschaffen. Und nicht zuletzt erholte sich die nordrhein-westfälische Wirtschaft 2014 immerhin mit einem Plus von 1,3 %, nach einem Rückgang von 0,6 % im Jahr zuvor (siehe Grafik).Die konjunkturelle Belebung setzt sich 2015 fort. In Deutschland ist mit einem etwa gleich hohen Wert wie im Vorjahr (+ 1,6 %) zu rechnen, so dass erneut das deutsche Potenzialwachstum überschritten wird. Nordrhein-Westfalen dürfte ebenfalls an die Dynamik des Vorjahrs anknüpfen. Entlastend wirkt sich die bessere Lage in vielen Eurozonenländern aus, auch wenn das dortige Wachstum im Nachgang der Staatsschuldenkrise zum Teil noch schwach ist. Die lockere Geldpolitik sowie die historisch niedrigen Zinsen sollten zudem den konjunkturellen Verlauf unterstützen, allein die realen Effekte dürften aber überschaubar sein. So ist die Entwicklung in Deutschland hauptsächlich vom inländischen Konsum getragen, der insbesondere aufgrund höherer Lohnsteigerungen dynamisch wächst. Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen nehmen ebenfalls zu, doch ist der Anstieg noch weit von früheren Höchstständen entfernt. Die Wachstumsaussichten bleiben also insgesamt begrenzt.Der Arbeitsmarkt zeigt sich robust – auch in Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitslosenquote verharrt hier seit vier Jahren bei etwas über 8 %. Sie ist allerdings die höchste unter den alten Bundesländern und um 1,5 Prozentpunkte höher als in Deutschland insgesamt. Dabei ist die Arbeitslosigkeit nicht gleichmäßig verteilt. Die Erwerbslosenrate in der Ruhrregion hat mit 10,8 % ein deutlich höheres Niveau als im restlichen NRW mit nur 7,1 %. Auch gibt es Regionen mit ländlicher Prägung, die nahe der Vollbeschäftigung sind.Aus der in den letzten Jahren stagnierenden Arbeitslosenquote lässt sich aber nicht ableiten, dass auch die Beschäftigung unverändert blieb. Im Gegenteil: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt, und der Aufbau zieht zuletzt sogar noch an: In NRW werden zurzeit fast in gleichem Tempo Arbeitsplätze geschaffen wie in Deutschland insgesamt. Die Beschäftigungsschwelle ist seit längerem überschritten. Dies erklärt auch, warum sich der Einzelhandel in NRW genauso positiv entwickelt wie im Durchschnitt aller Bundesländer. Maschinenbau legt zuWie stark der Strukturwandel in NRW allerdings noch den Arbeitsmarkt beeinflusst, belegt die Veränderung der Beschäftigung in einzelnen Wirtschaftszweigen. So nahm im Zeitraum 2008 bis 2014 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Steinkohlebergbau um insgesamt 14 000 auf 9 000 Personen ab. In der Chemie gingen fast 9 000 Arbeitsplätze (nun 85 000 Beschäftigte) und bei den Metallern über 22 000 Stellen (nun 327 000 Mitarbeiter) verloren.In anderen Branchen ist dagegen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entstanden, denn die Beschäftigung stieg im Sechsjahreszeitraum um insgesamt 8,4 %. Unter den großen Branchen des verarbeitenden Gewerbes kam es nur im Maschinenbau zu einem signifikanten Stellenaufbau (+ 12 000 Beschäftigte auf 220 000). Der Hauptteil der zusätzlichen Arbeitsplätze wurde von Dienstleistungsunternehmen bereitgestellt, die aufgrund der benötigten Qualifikationen häufig auf Zuwanderung aus anderen Bundesländern oder Staaten angewiesen sind. Erfreulich ist, dass auch im Ruhrgebiet im Zeitraum 2008 bis 2014 fast mit der gleichen Zuwachsrate (+ 7,1 %) Beschäftigung geschaffen wurde. Der Strukturwandel führt also in dieser Region zu mehr Arbeitsplätzen.Die Spannbreite der Wirtschaftskraft zwischen den einzelnen nordrhein-westfälischen Regionen ist sehr groß. So war das höchste BIP pro Einwohner mit 215 % des Bundesdurchschnitts in der Landeshauptstadt Düsseldorf anzutreffen, der niedrigste Wert mit nur 63 % in der kreisfreien Stadt Bottrop. Dies ist untypisch, da normalerweise ein Stadt-Land-Gefälle herrscht. Hier zeigt sich der Strukturwandel im Ruhrgebiet, der in vielen Städten zu einer niedrigen Wirtschaftskraft geführt hat. Für die Ruhrregion insgesamt ergibt sich ein BIP pro Einwohner von 91 % des Bundesdurchschnitts, das deutlich unter dem der anderen nordrhein-westfälischen Kreise und kreisfreien Städte von 105 % liegt. Fortschritte im RuhrgebietDoch es tut sich was im Ruhrgebiet. So stellt die Wirtschaftsleistung von 91 % eine Erholung dar, war sie doch bis zur Jahrtausendwende auf rund 85 % gesunken. Auftriebskräfte hat die Region aus dem Dienstleistungsbereich “Unternehmensdienstleister, Finanzierung, Versicherung, Vermietung” erhalten, der seitdem überdurchschnittlich gewachsen ist. Damit deutet sich an, dass der Strukturwandel erste Früchte trägt.Mit den Schwerpunkten Chemie und Metall bekam NRW die allgemein schwache Branchenentwicklung schon 2013 zu spüren. Dies setzte sich 2014 fort und belastet die Industrie insgesamt – entsprechend musste sogar entgegen dem Bundestrend von + 2,2 % ein weiterer Rückgang der Bruttowertschöpfung von 0,2 % in NRW verkraftet werden. 2015 werden insbesondere die Grundstoffindustrien durch den gesunkenen Rohölpreis entlastet. Ob dies zu einer durchgreifenden Besserung für die NRW-Industrie führt, ist angesichts der bisher verhaltenen Signale noch offen.Die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen erwiesen sich in den vergangenen Jahren trotz Strukturwandel und Wirtschaftskrise als verlässlicher Partner bei der Finanzierung von Privatpersonen und Unternehmen. Ihr Marktanteil bei der Kreditvergabe an Privatkunden betrug Ende 2014 fast 40 %. Der Firmenkreditbestand der Sparkassen expandierte in den letzten zehn Jahren um rund ein Viertel, so dass sich der Marktanteil auf ebenfalls fast 40 % stark vergrößerte. Zuverlässiger PartnerDieses hohe Engagement in der Region ist unverzichtbar für die weitere Entwicklung Nordrhein-Westfalens. Mit einer Exportquote, die etwa 45 % des Industrieumsatzes beträgt, gibt es aber auch viele international agierende Firmen. Um hierbei fachgerecht beraten zu können und die Abwicklung der Geschäfte sicherzustellen, steht die Helaba mit ihrem jüngst erweiterten Angebot zur Außenhandelsfinanzierung den Sparkassen zur Seite. Denn langfristig gilt es die internationale Ausrichtung der Unternehmen zu unterstützen, damit in der nordrhein-westfälischen Industrie und bei ihren Zulieferern im Dienstleistungssektor wettbewerbsfähige Arbeitsplätze erhalten und neue aufgebaut werden.—Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Leitung Research bei der Helaba—Barbara Bahadori, Diplom-Volkswirtin Regionalanalyse bei der Helaba