"Zukunft des Euroraums entscheidet sich in Rom"

EZB-Direktor Asmussen ermahnt Italien - "Wirtschaft muss wachsen" - Euro-Stärke bislang kein Problem

"Zukunft des Euroraums entscheidet sich in Rom"

ms Frankfurt – EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat einen ebenso ungewöhnlichen wie eindringlichen Appell an Italien gerichtet und das Land ermahnt, sich für die Zukunft zu wappnen. Das sei zentral, weil das Schicksal Italiens auch wesentlich über das Schicksal des Euroraums bestimme, sagte er laut vorab verteiltem Redetext am Freitagabend in Mailand. “Die Zukunft des Euroraums entscheidet sich nicht in Paris oder Berlin oder in Frankfurt oder Brüssel. Sie entscheidet sich in Rom”, sagte der Notenbanker.Zugleich machte er klar, dass die Euro-Partner überfordert wären, sollte das Land in eine tiefe Krise schlittern. “Italien ist zu groß, um von außen gerettet zu werden, es muss die Wende allein schaffen.” Die Politik des Landes sei deshalb gefordert, für die langfristigen Probleme des Landes “strukturelle Lösungen” zu finden. Die Euro-Wirtschaft könne nicht gedeihen, solange das Potenzialwachstum Italiens bei 0 % liege, betonte Asmussen.Damit erhöht der Notenbanker den Druck auf Rom gehörig – und das mit sehr offenen und klaren Worten. Viele Verantwortliche im Euroraum sind seit Längerem frustriert, dass Italien speziell bei den Reformen nicht vorankommt. Zumeist machen sie ihrem Ärger aber allenfalls mittels diplomatisch verpackter Botschaften Luft. So mancher Volkswirt oder Finanzexperte nennt das Land dagegen schlicht reformunfähig. Ohne PotenzialwachstumBemerkenswert ist auch, dass Asmussen offen einräumt, dass Italien im Zweifelsfall anders als etwa Griechenland oder Portugal nicht gerettet werden könnte. Dieser Auffassung sind zwar viele, aber Euro-Verantwortliche scheuen solche Aussagen in der Regel, um nicht für Unsicherheit an den Finanzmärkten zu sorgen.Asmussen sieht vor allem das Problem, dass die drittgrößte Volkswirtschaft im Euroraum nicht wächst. In den fünfziger Jahren habe die reale Wachstumsrate bei 5 % gelegen. Seitdem sei sie stets gesunken. In den 2000er-Jahren seien es 0 % gewesen. “Italien muss wachsen, und das wird nicht passieren, indem man darauf wartet, dass sich der Zyklus dreht.” Das Land habe langfristige Probleme, und dafür bedürfe es struktureller Reformen. Italien ächzt aktuell unter einer hohen Arbeitslosigkeit und einem hohen Schuldenberg.Asmussen zeigte sich aber zugleich zuversichtlich, dass Italien die Wende schafft. Das Land verfüge etwa über ein lebhaftes Unternehmertum, eine weltweit bekannte Kreativität und gute Bildungseinrichtungen. Hoffnungsfroh stimme ihn auch, dass sich nun womöglich ein neues politisches System entwickle. Die politische Instabilität gilt als ein Hauptproblem des Landes.Insgesamt plädierte der Euro-Währungshüter in seiner Rede für mehr Kooperation im Euroraum. Die Bankenunion löse das zum Teil ein. Nötig sei aber auch eine Fiskalunion, die beispielsweise Unterschiede in den Steuersystemen beseitige. Diese seien oft Barrieren für den einheitlichen Binnenmarkt.In einem ebenfalls am Freitag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung “Il Sole 24 Ore” sagte Asmussen mit Blick auf den Euro, dieser bewege sich derzeit “in einer Bandbreite, die wir in den vergangenen zehn Jahren gesehen haben”. Ganz ähnlich hatte sich zuvor schon EZB-Chefvolkswirt Peter Praet geäußert (vgl. BZ vom 17. Oktober). Die Aussagen deuten an, dass die EZB trotz der jüngsten Kursgewinne des Euro zumindest bislang keinen Grund sieht, verbal oder gar mit einer Zinssenkung gegenzusteuern.