LEITARTIKEL

Zur Sache, bitte!

Es war viel die Rede von einem "Krieg der Worte" bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington. Gemünzt war das auf den Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern, der unheilvolle Erinnerungen an 2015 heraufbeschwört. Einen Krieg der Worte...

Zur Sache, bitte!

Es war viel die Rede von einem “Krieg der Worte” bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington. Gemünzt war das auf den Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern, der unheilvolle Erinnerungen an 2015 heraufbeschwört. Einen Krieg der Worte lieferten sich zuletzt aber auch das politische Berlin und die EZB – über die Geldpolitik. In Washington standen die Zeichen, um im Bild zu bleiben, auf verbale Abrüstung. Das galt vor allem für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), welcher der EZB zuvor die AfD-Wahlerfolge angekreidet hatte. Für diese Abrüstung war es nach der Eskalation höchste Zeit. Es ist aber zu befürchten, dass das nicht lange hält – und am Ende beide Seiten als große Verlierer dastehen.Die teils blindwütigen Attacken aus der CDU und CSU gegen die EZB-Politik sind unredlich, weil viele Probleme im Euroraum Konsequenz fehlenden oder falschen Handelns der Politik sind, auch in Berlin. Sie sind mit der Fokussierung auf “den Sparer” engstirnig, weil es auch in Deutschland Nutznießer gibt. Sie sind mit dem Wunsch einer “deutschen Handschrift” für die EZB irrwitzig, weil zugleich Notenbankchef Mario Draghi nationale Klientelpolitik zugunsten Italiens angekreidet wird. Vor allem aber sind sie mit der Forderung nach einer politischen Einmischung brandgefährlich, weil die Unabhängigkeit der EZB ein hohes Gut ist. Berlin ist auf lange Sicht gut beraten, diese nicht aufs Spiel zu setzen – auch wenn ihm die aktuelle Geldpolitik noch so wenig schmeckt. Und nur als Randnotiz: Die Chancen, dass nach Draghi 2019 ein Deutscher an die EZB-Spitze rückt, erhöht aggressives Bellen aus Berlin sicher nicht.Dass die Politik in Form und Ton so überzieht, ist umso misslicher, als sachliche Kritik durchaus gerechtfertigt ist. Die Geldpolitik hat weltweit längst ihre Grenzen erreicht, und die Risiken nehmen zu. Das wird selbst international zunehmend Konsens; zu beobachten auch in Washington. Die Gefahren der immer neuen geldpolitischen Experimente sind immer offenkundiger – etwa fürs Finanzsystem als Ganzes: Der Ausverkauf bei Bankaktien und die extreme Volatilität an den Finanzmärkten im Frühjahr waren auch den Negativzinsentscheidungen geschuldet. Zudem nimmt nicht nur der Grenznutzen ab, auch die Politik wirkt sogar zunehmend kontraproduktiv: Die Geldschwemme und die Fehlallokationen der Ressourcen halten Zombie-Banken und Zombie-Unternehmen am Leben – was das Wachstum bremst. Die Frage ist berechtigt, ob die Geldpolitik nicht längst selbst deflationären Tendenzen Vorschub leistet. Und schließlich droht das Vertrauen in die Geld- und die gesamte Wirtschaftsordnung vollends verloren zu gehen. Die Geldpolitik ist also immer mehr Teil des Problems – nicht die Lösung.Die EZB-Politik ist auch nicht so alternativlos wie gerne dargestellt, und die Kritiker sind nicht so ratlos wie oft behauptet: Die überfällige Bereinigung der Bilanzen und die Reparatur des Bankensystems wären aktuell wichtiger als jede neue Liquiditätsspritze; Strukturreformen zur Steigerung des darbenden Wachstumspotenzials wichtiger als immer weiter niedrigere Mini- und Minuszinsen; solide Finanzen wichtiger als eine schwächere Währung. Und wenn es doch kurzfristig Impulse für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage braucht, sollte die Fiskalpolitik ran – was auch nicht immer gleich mehr Schulden bedeuten muss. Die Politik muss endlich ihrer Pflicht und Schuldigkeit gerecht werden.Für die EZB kommt es nun auf dreierlei an: Kurzfristig muss sie der Versuchung widerstehen, gegen die deutschen Kritiker zurückzukeilen, um nicht Öl ins Feuer zu gießen. Ein Konflikt zwischen dem größten Euro-Land und den Euro-Hütern ist stets bedrohlich. Das sollte auch Draghi nach der Sitzung am Donnerstag beherzigen. Dann sollte sie einmal innehalten, statt sich in immer neue Abenteuer zu stürzen – und ihre Kosten-Nutzen-Analyse überdenken. Absurde Debatten wie jene über “Helikoptergeld” helfen nicht weiter. Vor allem aber sollte die EZB aufzeigen, dass sie mittel- und langfristig eine Strategie für einen Ausstieg aus der beispiellos lockeren Geldpolitik hat. Für den wird es übrigens einen internationalen Konsens der Zentralbanken brauchen, wie die Kalamitäten der US-Notenbank zeigen.Die Debatte über die EZB-Politik – nicht über die Unabhängigkeit! – ist nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend. Was aber nicht geht, sind persönliche Attacken gegen “den Italiener” Draghi oder polemische Einwürfe wie von Schäuble. Auf diesem Niveau verlieren am Ende beide Seiten – und einzig die Anti-Euro-Populisten gewinnen. Kritik an der EZB eignet sich deshalb auch nicht als Wahlkampfschlager. Leider beschleicht einen ob mancher Wortmeldung zunehmend das ungute Gefühl, dass es genau darauf hinausläuft.——–Von Mark SchrörsStatt polemischer Attacken gegen EZB-Chef Draghi braucht es eine sachliche Debatte über die Risiken der Geldpolitik. Als Wahlkampfschlager taugt die EZB nicht.——-