Zuwanderung macht Deutschen Angst
Die Probleme rund um die Integration der in Deutschland weilenden Flüchtlinge und Migranten machen den Bundesbürgern am meisten Kummer. Erst weit dahinter rangiert die Angst vor dem Jobverlust – früher stets auf Platz 1 der Sorgenliste.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Bewältigung der Massenzuwanderung von Flüchtlingen und Migranten nach Deutschland ist aus der Sicht der Bundesbürger die dringendste Aufgabe hierzulande und macht ihnen auch am meisten Sorgen. Dies zeigt eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). 83 % aller Deutschen bereiten Zuwanderung und Integration danach Kopfzerbrechen – so vielen wie in keinem anderen der anderen 23 in der Studie untersuchten Länder. Allenfalls die Bürger in Österreich (66 %), Schweden und der Schweiz (je 50 %) kommen einigermaßen an diesen Wert heran.Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Besorgnis in Deutschland diesbezüglich mehr als verdoppelt; damals lag sie bei 35 %. “Jeder Siebte, der dieses Problem nennt, möchte es im Sinne einer positiven Integration lösen. Und jeder Fünfte spricht sich gegen jede weitere Zuwanderung aus”, sagte Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK-Vereins, zu der Studie (“Challenges of Nations 2016”). Dabei sind die jüngsten islamistisch geprägten Anschläge hierzulande in der Umfrage dabei noch gar nicht berücksichtigt. Die knapp 28 000 Interviews hatte die GfK im Frühjahr durchgeführt. Inzwischen dürften die vor allem sicherheitspolitisch akzentuierten Sorgen über die hierzulande aufgenommenen Flüchtlinge sogar noch zugenommen haben, was über eine verunsicherte Konsumentenschar auch auf die Konjunktur durchschlagen dürfte. Probleme noch ungelöstZumal die bürokratische Bewältigung der Probleme offenbar nur schleppend vorankommt. Erst Ende Januar wurde etwa die Einführung eines Flüchtlingsausweises verabschiedet. Bis heute konnten laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erst rund 80 000 Asylsuchende damit ausgestattet werden. Die Ausweise sollen das Asylverfahren beschleunigen und Missbrauch durch Mehrfachregistrierungen verhindern. “Es ist dringend geboten, Ordnung in die Verfahren zu bringen”, hatte die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD), damals gesagt. “Es ist wichtig, dass wir wissen, wer bei uns ist.” So werden neben Namen, Geburtsdatum, Körpergröße, Augenfarbe und Lichtbild auch Daten wie die zuständige Aufnahmeeinrichtung und die ausstellende Behörde erfasst und Angaben neu überprüft.Die Omnipräsenz der Zuwanderungsdebatte hat nach Angaben der GfK andere Besorgnisse in den Hintergrund treten lassen, die etwa im Ausland viel stärker genannt werden: Arbeitslosigkeit und Armut etwa. Während in Spanien (65 %), Frankreich (64 %) und Italien (48 %) die Arbeitslosigkeit an erster Stelle steht, rangiert sie in Deutschland mit 13 % der Nennungen nur auf Platz 2. Zwischen 2006 und 2014 hatte die Sorge um den Arbeitsplatz die Rangliste dagegen stets angeführt; 2006 gar mit einem Wert von 80 %. Der aktuelle Wert indes ist der niedrigste gemessene seit der ersten gesamtdeutschen Umfrage 1992. Dies korrespondiert mit der gleichfalls historisch niedrigen Arbeitslosenquote, die laut OECD aktuell bei 4,3 % liegt.Das führt auch dazu, dass über die Herausforderungen auf den Plätzen 3 bis 5 – Armut, Kriminalität und die Lage in Politik und Regierung – jeweils nur noch rund 10 % der Befragten beunruhigt sind: Die Sorge um Armut sinkt, erstmals seit 2010 wieder, und zwar um 5 Prozentpunkte. Deutlich weniger Handlungsbedarf als im Vorjahr sehen die Deutschen auch bei allgemeinen wirtschaftlichen Themen: So ging die Besorgnis über die Preis- und Kaufkraftentwicklung von 16 auf 8 % zurück. Die GfK führt das auf die gegenwärtig niedrige Teuerungsrate zurück. Auch die wirtschaftliche Stabilität bereitet weniger Kopfzerbrechen. Belegte das Thema im vergangenen Jahr mit 15 % noch den 5. Platz im Ranking, liegt es in diesem Jahr mit 6 % auf Platz 11. In den Hintergrund gerücktÜber alle befragten Nationen betrachtet sind Preis-/Kaufkraftentwicklung und Arbeitslosigkeit mit jeweils 24 % die am häufigsten genannten Herausforderungen. Kriminalität (18 %) und Korruption (15 %) stehen bei der internationalen Betrachtung ebenfalls ganz oben.—– Kommentar Seite 1