Zwei geschwächte Staatschefs im Konflikt

Poroschenko will Kriegsrecht in Ukraine verhängen

Zwei geschwächte Staatschefs im Konflikt

est Moskau – Nachdem russische Grenzschutzboote am Sonntag vor der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim drei ukrainische Kriegsschiffe beschossen und sie anschließend beschlagnahmt hatten, überschlugen sich gestern die Ereignisse. Die deutsche Bundesregierung reagierte “mit großer Sorge”, eine Sprecherin der EU-Kommission nannte das Verhalten Russlands inakzeptabel. Die Nato berief noch für Montag eine Sondersitzung des Nato-Ukraine-Ausschusses ein, die zum Redaktionsschluss noch andauerte. Derweil unterzeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte, das Dekret zur Verhängung des Kriegsrechtes, das er später allerdings abmilderte und über dessen Absegnung das Parlament in Kiew noch entscheiden muss. Weitere EskalationsstufeDer Vorfall im Asowschen Meer ist eine weitere Eskalationsstufe im mittlerweile fast fünfjährigen Konflikt zwischen den beiden Ländern. Diese verharrten gestern bei ihren konträren Erklärungsmustern. Während die Ukraine von einer militärischen Aggression sprach, behauptete Russland, die ukrainischen Schiffe seien illegal in russische Hoheitsgewässer eingedrungen. Das Außenministerium in Moskau sprach von einer Provokation, die als Vorwand dienen solle, damit der Westen weitere Sanktionen gegen Russland verhänge. Solche verlangte gestern denn auch der ukrainische UN-Botschafter Wolodymyr Jeltschenko vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Umgehend gab es Verluste an der russischen Börse sowie des Rubel.Während über den Hergang des Ereignisses keine gesicherten Fakten vorliegen, ist immerhin so viel gewiss, dass Russland laut der russischen Menschenrechtskommissarin Tatjana Moskalkowa die 24 ukrainischen Marinesoldaten festhält.Die aktuelle Eskalation fällt in eine Zeit, in der sowohl der ukrainische als auch der russische Staatschef mit Popularitätsverlusten im Inland konfrontiert sind. Bei Kremlchef Wladimir Putin war ein vergleichbarer Rückgang des Ansehens auch vor der Krim-Annexion 2014 feststellbar gewesen, weshalb Beobachter das Abenteuer auch als Mittel zur patriotischen Mobilisierung deuteten.Erst kürzlich ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum, dass Putins Ansehen wieder auf den Wert vor der Krim-Krise gefallen ist. Damals, Ende 2013, hatten 37 % der Russen Putins Politik nicht mehr gebilligt. Mit der Krim-Annexion fiel der Wert auf 17 %, ehe er nun wieder auf 33 % angestiegen ist. Dazu kommt, dass einer anderen Umfrage zufolge 61 % der Russen Putin selbst und nicht mehr seine Beamten für die Probleme im Land verantwortlich machen – der höchste jemals gemessene Wert. Die Unzufriedenheit gewann nach der Wiederwahl Putins im Frühjahr an Fahrt, zumal die wirtschaftliche Situation mau bleibt und der Kreml die – notwendige – Erhöhung des Renteneintrittsalters durchgesetzt hat.Auch Poroschenko ist innenpolitisch angeschlagen und sieht sich angesichts der 2019 anstehenden Präsidenten- und Parlamentswahlen mit erstarkenden Gegnern – allen voran wieder mit der ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko – konfrontiert. Eines seiner größten Probleme ist, dass er als Gegenleistung für einen neuen, überlebensnotwendigen Kredit seitens des Internationalen Währungsfonds soeben die Gaspreise um 23,5 % erhöhen musste.