Zweifel an Brexit-Deal in letzter Minute wachsen

Spitzengespräch ergebnislos - "Erhebliche Lücken"

Zweifel an Brexit-Deal in letzter Minute wachsen

ahe/hip Brüssel/London – Auch ein Spitzengespräch zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem britischen Premierminister Boris Johnson hat den stockenden Brexit-Verhandlungen keine neue Impulse geben können. In einer gemeinsamen Erklärung nach ihrem Telefonat teilten beide Seiten lediglich mit, man sei sich einig gewesen, dass es wichtig sei, “falls möglich” noch eine Einigung über die künftigen strategischen Beziehungen zu finden. Ansonsten konnten von der Leyen und Johnson einander lediglich bekräftigen, dass es in den Verhandlungen noch “erhebliche Lücken” gebe, und sie trugen ihren Chefunterhändlern auf, “intensiv zu arbeiten, um diese Lücken zu überbrücken”.Damit läuft die Zeit für eine Verständigung aus, die eigentlich bis zum EU-Gipfel Ende nächster Woche auf dem Tisch liegen sollte. EU-Chefunterhändler Michel Barnier, der gestern zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin gereist war, hatte mehrfach Ende Oktober als letztmöglichen Zeitpunkt für eine Einigung genannt, da ansonsten der Ratifizierungsprozess nicht mehr rechtzeitig abgeschlossen werden kann.Auch der Goldman-Sachs-Volkswirt Adrian Paul sieht ein Zeitfenster von vier Wochen, in denen sich sowohl im von der EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien als auch beim umstrittenen britischen Binnenmarktgesetz nicht viel tut. Das sollte aus seiner Sicht den Verhandlungsführern beider Seiten ausreichend Luft für ein Freihandelsabkommen verschaffen, das sowohl die rechtlichen als auch die politischen Hindernisse für eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien aus dem Weg räumen würde. Kommt es zu keiner Übereinkunft, muss Großbritannien auf den Beschwerdebrief der Brüsseler Behörde zu seinen Verpflichtungen unter der Austrittsvereinbarung reagieren. Zudem wird sich das britische Oberhaus mit dem Binnenmarktgesetz befassen. Kommt es zu einer Übereinkunft, gäbe es Paul zufolge für den britischen Premierminister Boris Johnson die gesichtswahrende Möglichkeit, die umstrittenen Paragraphen widerspruchslos vom Oberhaus streichen zu lassen.Bundesaußenminister Heiko Maas sagte gestern vor einem Treffen mit Barnier, die Coronakrise erschwere das Leben der Menschen sowohl in Großbritannien als auch in der EU. “Deshalb wäre es völlig unverantwortlich, ihnen in dieser Lage noch zusätzliche Probleme durch einen No-Deal aufzubürden”, warnte der SPD-Politiker. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert hat Kanzlerin Merkel weiterhin die Hoffnung, dass es noch zu einer Einigung kommen kann, solange die Gespräche noch liefen.