Berechnungen der EU-Kommission

Zweifel an geringeren Bürokratiekosten

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beschwört den Abbau von Bürokratie. Doch ihre Berechnungen zu den Kosten rufen Misstrauen hervor. Und die Wirtschaft wird ungeduldig.

Zweifel an geringeren Bürokratiekosten

Zweifel an geringeren Bürokratiekosten

Berechnungen der EU-Kommission stoßen auf Misstrauen – Ungeduld in der Wirtschaft

rec Brüssel

Ob es um den Ausbau des superschnellen Internets geht, um Rohstoffbeschaffung, Börsengänge oder Industriepolitik: Bei fast jedem Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene fällt früher oder später das Wort Bürokratieabbau. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist dazu übergegangen, unverblümt eine "Regulierungspause" zu fordern. Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP unterstützen ihn.

Ursula von der Leyen hat große Erwartungen geweckt: Die EU-Kommissionschefin verspricht den Unternehmen 25% weniger Bürokratieaufwand. Viel mehr als Ankündigungen sind dabei bislang allerdings nicht herumgekommen. In ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union konnte sie die großen Erwartungen allenfalls ansatzweise erfüllen: Für Oktober kündigte sie einen Vorschlag an, Konkretes blieb sie schuldig.

Zur wachsenden Ungeduld in der Wirtschaft kommen Zweifel daran, wie genau es die EU-Kommission mit den Bürokratiekosten nimmt. Jahr für Jahr gibt sie Schätzungen dazu in einem Jahresbericht ab. Dabei unterscheidet sie zwischen Einmalkosten und wiederkehrenden Kosten. Auf Grundlage ihres kürzlich veröffentlichten Berichts kommt sie auf voraussichtliche Einsparungen von 7,3 Mrd. Euro für Unternehmen und Bürger.

Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber hält das für dubios. Schließlich kämen einige aufwändige Vorhaben auf die Wirtschaft zu, deren zusätzliche Bürokratiekosten die Behörde gleichwohl mit null beziffere. Als Beispiele nennt Ferber das EU-Lieferkettengesetz, die Luftqualitätsrichtlinie und eine Verordnung zum Ökodesign.

"One in, one out"

"Die Kommission rechnet sich die Welt, wie sie ihr gefällt", kritisiert Ferber. "Wenn die Kommission die Kosten der aufwändigsten und kompliziertesten Gesetze aus ihren Kalkulationen unter den Tisch fallen lässt, ist klar, dass ihre Berechnungen nicht die Wirklichkeit widerspiegeln können." Er wünsche sich hier ein bisschen mehr Ehrlichkeit und eine saubere Datengrundlage.

Ein Kommissionssprecher wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Behördenvertreter heben immer wieder die Maßgabe hervor, für jede neue Bürokratielast mindestens eine andere abzuschaffen oder zu reduzieren. Im Brüsseler Sprech ist von "One in, one out" die Rede. Die EU-Kommission sieht darin eine "Kostenbremse", wie es in der Pressemitteilung zum Jahresbürokratiebericht heißt.

Wirtschaftsverbänden geht es zu langsam. Einige geben sich inzwischen keine Mühe mehr, ihren Frust in diplomatische Worte zu kleiden. Es müsse "jetzt endlich Schluss sein mit der Bürokratie-Obsession, unter der unsere Unternehmen seit Jahren leiden", schimpfte Wolfgang Große Entrup. Der Chef des Chemieverbands VCI forderte in Reaktion auf von der Leyens jüngste Rede "einen Burden Reduction Act mit größtmöglichem Wumms".

Zu denken geben muss von der Leyen auch, dass sie aus den eigenen Reihen mitunter vergiftetes Lob zu ihrer Rede erhielt. CSU-Politikerin Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der Unionsgruppe im EU-Parlament, begrüßte, dass sich der Ton gewandelt habe und der Fokus stärker auf Wettbewerbsfähigkeit liege. Dann schob sie hinterher: "Entscheidend wird aber sein, wie wir in der EU von dem Regulierungswahn herunterkommen." Die Erwartungen an konkrete Vorschläge im Oktober sind unvermindert hoch.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.