Zweite Welle macht Wirtschaft Sorgen

Zahl der Neuinfektionen in Deutschland schnellt hoch - Bundesregierung will zweiten Lockdown vermeiden

Zweite Welle macht Wirtschaft Sorgen

Die steigenden Zahlen von neuen Corona-Infektionsfällen in Europa schüren die Sorgen vor den wirtschaftlichen Folgen einer zweiten Infektionswelle. Die deutsche Wirtschaft warnt vor den Folgen zusätzlicher Beschränkungen. Die Bundesregierung versucht, die Angst vor einem zweiten Lockdown im Keim zu ersticken.sp Berlin – Die rasch steigende Zahl von Neuinfektionen in weiten Teilen Europas schürt auch in der deutschen Wirtschaft die Sorgen vor neuerlichen Einschränkungen im Wirtschaftsleben und den damit verbundenen Umsatzeinbußen. “Viele Betriebe stehen schon jetzt mit dem Rücken zur Wand, denn die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen haben seit März tiefe Spuren in den Bilanzen hinterlassen”, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, der Nachrichtenagentur Reuters.Zuvor hatte das Robert Koch-Institut (RKI) mitgeteilt, dass den Gesundheitsbehörden in Deutschland innerhalb von 24 Stunden mehr als 4 000 Neuinfektionen gemeldet wurden. Das ist der höchste Wert seit Anfang April und nicht weit entfernt von den Höchstständen etwas oberhalb von 6 000 Fällen pro Tag im Frühjahr, als mit einem landesweiten Lockdown auch das Wirtschaftsleben drastisch zurückgefahren wurde. Österreich ist am Donnerstag mit etwas mehr als 1 200 Neuinfektionen bereits auf einem neuen Höchstwert angelangt und auch in anderen europäischen Ländern droht das Infektionsgeschehen zum Start in den Winter außer Kontrolle zu geraten.In einer eilig einberufenen Pressekonferenz nannte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Entwicklung besorgniserregend, und RKI-Chef Lothar Wieler stellte in Aussicht, dass die Zahl der Neuinfektionen in den nächsten Wochen auf mehr als 10 000 Fälle pro Tag steigen könnte, wenn sich das Virus unkontrolliert ausbreite.Gedankenspiele über die Möglichkeit eines neuerlichen Lockdowns, der im Frühjahr den größten Konjunktureinbruch der Nachkriegszeit mit sich brachte, wies Spahn zurück. “Ich halte nichts von der Überschrift ,Zweiter Lockdown'”, sagte der Minister. In einer Situation wie im März und April werde man sich schon deshalb nicht wiederfinden, weil man die vergangenen Monate genutzt habe und viel über das Virus gelernt habe. “Ich möchte nicht, dass sich eine Situation wie im Frühjahr wiederholt”, betonte am Donnerstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die auf einer Veranstaltung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zu Gast war. Viele Unternehmen hätten schwer zu kämpfen gehabt. Das “beste Konjunkturprogramm” sei ein erfolgreicher Kampf gegen das Coronavirus.Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte bereits in der vergangenen Woche beteuert, dass die Regierung alles tun werde, um einen neuerlichen Lockdown zu vermeiden, und dies am “Tag der Industrie” des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in dieser Woche noch einmal bekräftigt. “Weitere Produktions- und Geschäftsausfälle könnten Unternehmen in ihrer Existenz gefährden”, sagte DIHK-Chef Schweitzer mit Blick auf mögliche neue Einschränkungen.Ausbleibende Umsätze belasteten auch ohne zusätzliche Einschränkungen die finanzielle Lage vieler Unternehmen, deren Reserven bereits zu großen Teilen aufgebraucht seien, betonte Schweitzer. Das gelte vor allem für besonders betroffene Branchen wie Veranstalter und Messebauer, aber auch für Betriebe im Hotel- und Gastronomiebereich, im stationären Einzelhandel in den Innenstädten oder in der Industrie. Die nächste Corona-Rezession?Nach Einschätzung der Ökonomen der Commerzbank würden verschärfte Corona-Beschränkungen keine neue Rezession nach sich ziehen. Leiden dürften vor allem Branchen, die bislang schon besonders betroffen waren. “In diesen Branchen, die für bis zu 8 % des Bruttoinlandsproduktes stehen, verlief die Erholung bisher schon überwiegend schleppend”, schreiben Christoph Weil und Ralph Solveen in einer Studie: “Dies wird die Erholung der Gesamtwirtschaft zusätzlich bremsen und mit dazu beitragen, dass das reale Bruttoinlandsprodukt noch einige Zeit unter seinem Vorkrisenniveau verharrt. Eine neuerliche Rezession erwarten wir aber nicht.” Im Frühjahr war das Bruttoinlandsprodukt mit 9,7 % so stark eingebrochen wie noch nie.