BEWEGUNG IN DEN HANDELSKONFLIKTEN

Zwischen Entspannung und Skepsis

Industrien, die gelitten haben, können angesichts des US-chinesischen Teilabkommens vorerst aufatmen

Zwischen Entspannung und Skepsis

Der Handelskrieg hat Spuren in der US-Wirtschaft hinterlassen. Präsident Donald Trump bezeichnet das Handelsabkommen mit China als Durchbruch. Für Mittwoch ist die Unterzeichnung mit Vertretern Pekings geplant. Viele Einzelheiten sind noch unbekannt, Experten warnen vor verfrühtem Optimismus.Von Peter De Thier, WashingtonSuperlative sind Donald Trump nicht fremd. Folglich nennt er jenes Interimsabkommen mit China, das diese Woche bei einer Zeremonie im Weißen Haus Rechtskraft erlangen soll, “phänomenal” und “eines der größten Handelsabkommen”, die jemals unterschrieben wurden. Es sieht vor, dass einige der bestehenden Einfuhrzölle, die Trump verhängt hat, halbiert werden. Im Gegenzug hat sich das Reich der Mitte verpflichtet, mehr Agrarprodukte und andere Waren aus den USA zu kaufen. Dennoch bleiben die betroffenen Industrien skeptisch. US-Industrie hart getroffenDie Begeisterung bei Craig Allen, Präsident des Industrieverbandes US-China Business Council, hält sich in Grenzen: “Wir haben noch kein Dokument, und solange das fehlt, wissen wir auch nicht genau, was die Vereinbarung alles enthält.” Gleichwohl können mehrere Industrien allein deswegen aufatmen, weil zumindest vorübergehend eine Waffenruhe eingetreten ist und sich der Handelskonflikt nicht weiter zuzuspitzen scheint.Obwohl die exakten Folgen des Schlagabtauschs zwischen Washington und Peking schwer quantifizierbar sind, haben die zahlreichen Zölle und einschlägigen Vergeltungsmaßnahmen tiefe Wunden gerissen. In den akuten Phasen kam es in mehreren Branchen, darunter bei Stahlherstellern, der Autoindustrie, deren Zulieferern und anderen, angegliederten Industrien zu Massenentlassungen, teilweise schlossen Unternehmen ganze Werke.Als das Reich der Mitte die Zölle für Autoimporte aus den USA mehr als verdoppelte, entschied beispielsweise der Autobauer Tesla, die Preise für einige Modelle um bis zu 20 000 Dollar anzuheben. Später revidierte Tesla das und entschied, dass es langfristig besser fürs Geschäft sei, die Abgaben nicht auf Kunden abzuwälzen. Der Konzern hat die Preiserhöhung rückgängig gemacht.Betroffen sind auch Chiphersteller wie Intel, Micron und Nvidia. Viele Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley exportieren einen substanziellen Teil nach China. Am wichtigsten und zugleich politisch von höchster Relevanz sind die Folgen für amerikanische Landwirte. Für den Agrarsektor ist China nämlich der viertgrößte Absatzmarkt, für Sojabauern sogar der wichtigste Auslandskunde. Republikaner gegen Trump Die Landwirtschaft hat als Folge der Zölle empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Auf das Wohlwollen der Farmer ist Trump aber angewiesen, will er im November für eine zweite Amtszeit bestätigt werden. Folglich verkaufte er Landwirten seinerzeit das Versprechen von Chinas Präsident Xi Jinping, das Land werde die Sojaimporte aus den USA um 180 Mill. Dollar erhöhen, als Durchbruch. Am Gesamtmarkt gemessen war das aber kaum mehr als ein Bagatellbetrag.Auch andere Politiker haben aber die Bedeutung der Entspannung erkannt und wollen verhindern, dass Trump wieder einen gefährlichen Kurswechsel vornimmt. So will ausgerechnet der republikanische Senator Chuck Grassley, der sich in der Regel kritiklos hinter den Präsidenten stellt, Trump einhegen und ein Gesetz verabschieden, wonach Trump die Zustimmung des Kongresses benötigt, eher er neue Zölle verhängen kann. Der Grund: Grassley kommt aus dem Agrarstaat Iowa und hat sich dort ausgerechnet in einem Wahljahr den Zorn frustrierter Landwirte zugezogen.Zwar hatten sich Republikaner Jahrzehnte lang das Etikett des freien Handels an ihre Fahnen geheftet, während Demokraten traditionell zu protektionistischeren Positionen neigten. Viele stimmen aber Trumps Plänen, China zur Marktöffnung und zum Abbau wettbewerbsverzerrender Praktiken zu zwingen, tendenziell zu. Sie lehnen lediglich die rabiate Brechstangenpolitik mit endlosen Zöllen sowie dem Kokettieren mit neuen Sanktionen ab. Milliarden in die Zollkasse Das Weiße Haus könnte argumentieren, dass Trumps harte Linie bereits zu Etappensiegen geführt hat. So dürfte das bilaterale Handelsdefizit im Handel mit China, welches bis einschließlich November 2019 320 Mrd. Dollar erreicht hatte, im abgelaufenen Jahr auf den tiefsten Stand seit 2016 gefallen sein. Auch stellt der Präsident stolz fest, dass die Zölle gewaltige Summen in die Staatskasse spülen. Tatsächlich kassierte das Schatzamt im Oktober durch die Abgaben den Rekordbetrag von 7,2 Mrd. Dollar, der sich zu den Verlusten für ganze Industrien aber dennoch bescheiden ausnimmt.