Im BlickfeldAbschied vom Tal der Tränen

Abschied aus dem Tal der Tränen

Die Immobilienbranche wähnt sich kurz vor dem Aufschwung mit stabilisierten Preisen und steigenden Transaktionsvolumina. In einigen Bereichen wie Büros und Einkaufszentren ist allerdings noch einiges zu tun, bis die Umsätze wieder steigen können.

Abschied aus dem Tal der Tränen

Im Blickfeld

Immobilienbranche setzt fest auf den Aufschwung

Der Wirtschaftszweig hat nach einer langen Boomphase zur Jahreswende 2022/23 ein Tal der Tränen betreten. Jetzt sollen die Zeiten mit wenigen Transaktionen vorbei sein. Bei Büros und Einkaufszentren ist aber noch einiges zu tun.

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Mit Sprüchen, schon gar mit gereimten, ist das so eine Sache. Sie können klug sein, aber auch dumm, sie können die Vergangenheit verklären und die Zukunft vorhersagen – oder es zumindest versuchen. Solche Sprüche gibt’s in der Immobilienbranche natürlich auch. Vor 2026 (sprich twenty-six) mach ich nix. 2027 back in heaven. Das ist noch ziemlich lang hin. In diesem Jahr gibt es noch nicht viele Transaktionen am gewerblichen Markt. Aber immerhin verbessert sich die Stimmung wieder. Das gilt aber nicht für alle Nutzungsarten gleichermaßen.

Verlierer Büros

Als großer Verlierer gelten Büros, insbesondere in Randlagen. In den Zentren von Frankfurt oder München sind sie aber durchaus gefragt. Bei der Finanzierung halten sich die Banken sehr zurück. Das gilt hauptsächlich für große Objekte. Gefordert werden Eigenkapitalquoten von 40 bis 50%, außer in Top-Innenstadtlagen der Metropolen. Das macht es gerade großen Investoren schwer, Büros zu kaufen. Häufig wird daher zuerst vollständig mit Eigenkapital gekauft und erst später nachfinanziert.

Das Büro der Zukunft ist ein Ort des Zusammentreffens und des Austauschs. Es überrascht daher nicht, dass immer mehr Unternehmensführer ihre Mitarbeiter zurück ins Büro rufen. Vor wenigen Tagen hat Amazon seinen Mitarbeitenden eine Fünf-Tage-Anwesenheit im Büro verordnet. Drei bis vier Tage im Office scheint das „new normal“ zu werden.

Viele zögern noch bei Neuanmietungen

Trotzdem zögern viele Unternehmen, weitere Flächen anzumieten. Andere, bei denen die Mietverträge auslaufen, nutzen die Gelegenheit, um in neue, modernere Räume mit geringeren Flächen umzuziehen. Ein Rückgang des Flächenbedarfs von 20 bis 30% erscheint vor diesem Hintergrund für die kommenden Jahre durchaus realistisch.

Veraltete Büroflächen, auch in Bezug auf den zukünftigen energetischen Standard, werden immer stärker unvermietbar und damit auch unverkäuflich (stranded assets). Nach einer Studie von Garbe Institutional Capital, PwC Deutschland und Colliers könnten davon bis zu 75 Mill. Quadratmeter Bürofläche in Deutschland betroffen sein. Bezogen auf ganz Europa sollen bis zu drei Viertel aller Büroflächen bis 2030 nicht mehr marktfähig sein. Schon heute entsprechen 62% der Büroflächen hierzulande nicht mehr dem modernen Standard, heißt es in einer Studie von Cushman&Wakefield.

Viele Büros müssen saniert werden

Daher werden immer mehr Büroflächen saniert. 2023 entfiel darauf etwa ein Viertel aller abgeschlossenen Projekte im Bürosegment, sagte Madeleine Hoeft vom Projektentwickler Cilon auf dem 17. Immobiliensymposium der DekaBank. „Die Tendenz steigt. Bis 2030 werden 60% der Büroflächen 30 Jahre oder älter sein.“

Als schwer vermarktbar gilt auch der Einzelhandel. Das gilt ganz besonders für den Non-Food-Bereich. Darauf haben neben Fachmarktzentren in erster Linie Einkaufszentren gesetzt. Der Klassiker sind Warenhäuser, Textileinzelhändler oder Elektronik-Fachmärkte als Ankermieter. Dieses Modell hat ausgedient. Die Zukunft liegt in der Angebotsvielfalt. „Experience makes the place“, das Motto des verstorbenen US-Architekten Jon Jerde, ist für seinen Schüler Marc Blum, beim großen Shopping-Center-Dienstleister ECE für Creative Design zuständig, die Richtschnur in die Zukunft. „Es geht darum, ungewöhnliche Dinge zu erleben. Ob Retail drin ist, ist erst mal zweitrangig“, skizziert Blum die Vorstellungen von Jerde.

Auto anmelden und zum Zahnarzt gehen im Shopping-Center

Blum will Einkaufzentren nicht nur mit einer Food Hall und Entertainment, z.B. Multiplexkino ausstatten, wie dies teilweise schon heute der Fall ist. Auch eine Kfz-Anmeldung, Gesundheitseinrichtungen wie ein Zahnarzt, Bildungseinrichtungen wie Nachhilfe und Coworking-Spaces würden die Anziehungskraft eines Einkaufszentrums erhöhen, sagte er auf dem Immobiliensymposium der DekaBank. „Jedes Objekt wird völlig unterschiedlich sein.“

Der Raum zwischen den Gebäuden sei viel wichtiger. „Die Leute lieben gute Geschichten über das Gebäude und wollen zu Hause Geschichten über den Ort erzählen, an dem sie waren.“ Das soll auch für Einkaufszentren gelten, fordert Blum. In diese Richtung sei das „My Zeil“ in Frankfurt gegangen mit seinem Kunst- und Performanceangebot. Das Main-Taunus Zentrum (MTZ) in Eschborn bei Frankfurt werde bei seiner Eröffnung im April 2025 nicht nur einen großen Foodgarten bieten, der von 10 bis 20 Uhr geöffnet sei. Dieser Mix hat offenbar auch Mieter angesprochen. „Dieses Objekt war so schnell vermietet. So schnell konnten wir gar nicht die Mietverträge unterzeichnen“, berichtete Blum. Dabei biete das MTZ auch echte Nachhaltigkeit durch Holzbauten, Fotovoltaik und 20 Meter hohe Bäume.

Die großen Gewinner

Als große Gewinner im aktuellen Markt gelten Serviced Apartments und Logistik. Vollmöblierte Wohnungen mit einer Küche oder Küchenzeile in einer gewerblich genutzten Immobilie werden von Investoren gerne gekauft, sagte Jonas Gaier vom Makler BGA Invest kürzlich auf einer Veranstaltung der Anwaltssozietät King & Spalding.

Hoch in der Investorengunst stehen auch Logistikimmobilien im (etwas riskanteren) Value add-Bereich. Dabei werden auch Objekte mit kürzeren Mietverträgen akzeptiert. Den Kaufpreisfaktor gibt Gaier mit dem etwa 20-Fachen an, entsprechend 5% Rendite.

Gesundheit und gefördertes Wohnen

Gefragt sind weiters Gesundheitsimmobilien, während Hotels nach der Corona-bedingten Flaute zurückkommen. Bei Wohnen geht es zumindest verhalten wieder nach oben. Das gilt für kleine Transaktionsvolumina und für den geförderten Wohnungsbau.

Zu schaffen machen Immobilieninvestoren neben der Zinsentwicklung vor allem die stark gestiegenen Baukosten. Sie machen den Neubau teilweise unrentabel. Speziell bei Wohnungen gilt das Aufteilungsverbot als Hemmschuh.

Sondergenehmigung erforderlich

Nach dieser zum Beispiel in Berlin gültigen Vorschrift dürfen Eigentümer von Wohngebäuden ihre Eigentumswohnungen nicht ohne Weiteres verkaufen oder vermieten. Und zwar dann nicht, wenn das Gebäude vor dem 1. Januar 1949 erbaut wurde und nicht den aktuellen energetischen und brandschutztechnischen Anforderungen entspricht. Die dann erforderliche Sondergenehmigung gibt es nur, wenn die Sanierung des Gebäudes den aktuellen Anforderungen entspricht und die historische Bausubstanz erhalten bleibt.

Keine Wahrheit

2023 wollte keiner die Wahrheit wissen, beschreibt Markus Schlottenmüller, Geschäftsführer von BGA Invest, die Haltung der meisten Immobilieneigentümer zur Marktpreisentwicklung. „Viele haben uns im Vorjahr gesagt: Bis Weihnachten braucht ihr gar nicht anzurufen.“ An Bewertungen, die unweigerlich zu Abwertungen in der Bilanz geführt hätten, war man nicht interessiert. Inzwischen ist die Situation eine andere. Bestandshalter scheinen bereit zu sein, sich bei ihren Preisvorstellungen dem Niveau zu nähern, das potenzielle Käufer bereit sind zu zahlen.

Privatbanken sind nach Beobachtung Schlottenmüllers aus zwei Gründen im Immobiliengeschäft aktiv. Zum einen gebe es die dritte Generation der Erben, die untereinander im Streit liege und daher Immobilienbestände zur Liquiditätsgenerierung verkaufen wolle.

Viele Wohnungen verringern Erbschaftsteuerlast

Zum anderen werden Immobilien gesucht, um durch den Mindestbestand von 300 Einheiten ein Wohnungsunternehmen zu formen und so Erbschaftssteuern zu sparen. Dieser Bereich lief schon 2023 sehr gut, da er nicht auf Banken angewiesen ist. Wurde doch finanziert, dann mit 50% Eigenkapital. Die Finanzierung war dann kein Problem, so der Transaktionsspezialist.

Nachhaltigkeit interessiert inzwischen auch Family Offices

Das Thema Nachhaltigkeit (ESG) ist inzwischen nicht nur Thema bei großen internationalen Investoren und Mietern. Gaier berichtet, dass dies seit etwa einem Jahr auch bei Family Offices der Fall sei. Tatsächlich wird für ökologisch sanierte Bestände nur ein geringes „green premium“ gezahlt. Viele Bestandshalter sind angesichts der hohen Kosten für eine solche Sanierung gar nicht in der Lage, diese zu stemmen. Sobald Banken für eine Finanzierung ins Spiel kommen, verlangen sie nicht zuletzt auf Druck der Regulatoren, aber auch ihrer Aktionäre, ein Sanierungskonzept bzw. eine entsprechende Verpflichtung.

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