Die Europäische Union, so hat es ein kluger Kollege einmal veranschaulicht, ist wie Cricket. Zur Erinnerung: Cricket ist jener Sport, bei dem junge Männer in weißen Kaschmirpullis und ebenso schicken weißen Jeans stundenlang auf einer Wiese stehen und sich kaum bewegen, bis irgendwann ein paar Holzstöckchen umfallen und dies bei einem Team Euphorie und der anderen Mannschaft Niedergeschlagenheit auslöst. 90% der Weltbevölkerung verstehen nicht so recht, was die Sache so spannend macht. Die anderen 10% der Menschheit sind hingegen völlig aus dem Häuschen und fachsimpeln stundenlang über Bowler, Striker und Non-Striker. Was die EU betrifft, ist es so ähnlich. 99% der Bürger Europas haben keinen echten Schimmer und kein Interesse daran, was da in Kommissionsstuben, Parlamentsausschüssen und Trilogen genau passiert. Während das andere 1% aufgeregt darüber diskutiert, dass es „eben gerade im ECON dank EPP, Renew und ECR eine Mehrheit für die RIS gegeben hat“. Comment? Wie bitte?

Vielleicht hat ja gerade der trotzige Unmut darüber, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Europäer nicht für Details der EU-Gesetzgebung interessiert, die Brüsseler Blase dazu veranlasst, sich mit ihrem speziellen EU-Esperanto abzugrenzen. Die Buchstabensuppe, mit der im politischen Brüssel Gespräche geführt werden, ist jedenfalls ein großes Leid. Und eine Beleidigung für jeden – es sei denn, man gehört zu denen, die im Freundebuch unter Hobbys Mifid II, Emir 3, CRD IV oder Ucits 5 eintragen.

Als wäre das nicht schon (im doppelten Wortsinn) unverständlich genug, haben die Brüsseler Beamten nun auch noch damit begonnen, Abkürzungen zu erfinden, die es bereits gibt. Die Kapitalmarktunion musste unbedingt KMU heißen, obwohl so doch bereits die kleinen und mittleren Unternehmen genannt werden. Und ach herrje, nun gibt es sogar noch ein EDIS. Reicht es nicht, dass die europäische Einlagensicherung (European Deposit Insurance Scheme) halb Deutschland auf die Palme bringt, trägt nun auch noch die neue Strategie zur Förderung der Rüstungsindustrie (European Defence Industry Strategy) dieses Kürzel. Zudem werden einzelne Akronyme immer komplizierter. Das EU-Lieferkettengesetz heißt im EU-Kauderwelsch „CS-TripleD“ – für Corporate Sustainability Due Dilligence Directive. Autsch!

Unverständlich ist schließlich, warum sich Interessenvertretungen den Tort antun, durch die Abkürzungen ihres Verbandsnamens Irritationen zu provozieren. Warum sich etwa die hiesigen Milchbauern für die – durch die deutsche Geschichte belastete – Abkürzung „BDM“ entschieden haben, bleibt ihr Geheimnis. Und warum sich der Deutsche Derivate Verband gerade jetzt in Bundesverband für strukturierte Wertpapiere umgetauft hat, ist ebenfalls rätselhaft. Mancher Experte für Swaps und Zertifikate dürfte nun damit zu tun haben, zu erklären, dass sein „BSW“ nichts mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zu tun hat.