Ackermanns Irrwege
Ackermanns Irrwege
Von Claus Döring
Kein Banker in Deutschland hat so polarisiert wie Josef Ackermann. Kritik perlt an ihm ab, wie auch die jetzt veröffentlichte Autobiografie des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs zeigt.
Er halte es mit Margaret Thatcher, die immer nur die guten Dinge über sich lesen wollte, bekannte Josef Ackermann vor anderthalb Jahren in einem Interview. So müsse man weniger lesen und ärgere sich nicht. Insofern sollte es niemanden verwundern, dass in Ackermanns jetzt in Berlin vorgestellter Autobiografie mit dem Titel „Mein Weg“ Selbstkritik bestenfalls als Feigenblatt daherkommt und man im Übrigen viele gute Dinge über den ehemaligen Chef der Deutschen Bank lesen kann.
Dass Ackermann mit den „guten Dingen“ aus seinem Leben und der Zeit bei der Deutschen Bank problemlos ein 460 Seiten dickes Buch füllen kann, steht außer Frage. Er hat die Bank aus einem selbstherrlichen Bankbeamteninstitut mit riesigen Reserven, aber schwacher Ertragskraft zu einer der Top-Five-Investmentbanken der Welt und einer wahren Gewinnmaschine gemacht, jedenfalls, solange an den Märkten die Musik spielte. Dass mit den weniger guten Dingen viele weitere Bücher und vor allem zig Ordner-Meter mit Gerichtsakten gefüllt sind, sollte nicht verschwiegen werden.
Ackermann hat Deutsche Bank geprägt
Zweifelsohne hat Ackermann als Chef der Deutschen Bank von 2002 bis 2012 das Institut geprägt und verändert wie keiner seiner Vorgänger seit Hermann Josef Abs, von den Nachfolgern ganz zu schweigen. Insofern ist auch die „Ackermania“ verständlich, die sich seit einigen Tagen durch die deutsche Medienlandschaft zieht und mit einem Interview mit Sandra Maischberger in der ARD ein Millionenpublikum erreichte.
Kein Banker hat mehr polarisiert. Für die einen war er umjubelter Krisenmanager und Politikberater, insbesondere in der Finanz- und Eurokrise der Jahre 2007 und 2008, für die anderen der Inbegriff des arroganten und sich der Staatsgewalt überlegen fühlenden Gier-Bankers. Die Wahrheit liegt wie meistens dazwischen. Gescheitert ist Ackermann rückblickend nicht an den strategischen Ambitionen und betriebswirtschaftlichen Zielen, sondern an der zu großen Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Einsicht, „dass kein Geschäft es wert ist, den Ruf der Bank zu schädigen“, kam viel zu spät.
Kaum zu kontrollierende Söldnertruppe von Investmentbankern
„Ich sehe im Shareholder Value ein langfristiges Unternehmenskonzept mit dem Ziel, den Unternehmenswert zu mehren. Dabei spielt der Begriff der Nachhaltigkeit, der Sustainability, eine entscheidende Rolle.“ So Ackermann beim Start als Vorstandssprecher im Interview mit dem Autor dieser Zeilen. Beim Hochfahren des Investment Bankings und der Installation eines zu Risikomaximierung und Manipulationen verführenden Bonussystems wurde der Nachhaltigkeitsgedanke ausgehebelt. Ackermann wollte der Deutschen Bank ihren Stolz zurückgeben, beruhend auf „Leistung aus Leidenschaft“ und einem „Culture Value“, der aus globalem Wachstum und der Integration fremder Unternehmenskulturen entsteht.
Das Ergebnis war die Herrschaft einer am Ende auch von Ackermann kaum zu kontrollierenden Söldnertruppe von Investmentbankern, die sich für das Wohl der Bank nur aufgrund ihrer Aktienoptionen interessierten, für Stakeholder Value aber nichts übrig hatten. Unter dem Strich fraßen die Folgen dieser Hybris in Gestalt zig Milliarden teurer Prozesse, Strafzahlungen und Vergleiche die vorherigen Milliardengewinne wieder auf. Und es brauchte viele Jahre, bis der von Ackermanns Nachfolgern ausgerufene Kulturwandel das Vertrauen von Kunden, Mitarbeitern, Aktionären und Gesellschaft zurückgewinnen konnte, das laut dem Deutsche-Bank-Motto von 1995 ja der Anfang von allem ist.
Ackermann fühlt sich verkannt. Das wird seit Jahren bei Auftritten und Interviews deutlich, das unterstreichen aktuell seine Autobiografie und die TV-Auftritte. Wie wäre es, dem von Emotionen verstellten Blick seiner Freunde und Gegner das nüchterne Urteil des Kapitalmarktes gegenüberzustellen? Noch heute liegt der Börsenwert der Deutschen Bank unter jenen 30 Mrd. Euro, die Aktionäre einschießen mussten, damit die Bank die finanziellen Spätfolgen der Ackermann-Ära überlebte.