Adrenalin im Audimax
Notiert in Frankfurt
Adrenalin im Audimax
Von Detlef Fechtner
Auf den ersten Blick erinnert die Stimmung an eine Schultheater-Aufführung. Vor dem Veranstaltungsraum bilden sich kurz vor dem Start des Schauspiels lange Schlangen. Und drinnen in der Halle mischt sich wenig später Lampenfieber der Akteure, von denen die meisten den Zuschauern gut bekannt sind, mit wohlwollender Neugierde des Publikums. Von Beginn an spürt man die Begeisterung und Leidenschaft der Beteiligten, und zwar sowohl auf als auch vor der Bühne. Freimütig bekennen denn auch einige, dass sie aufgeregt sind: „I am stoked.“ Das gilt auch für Ram Shoham, den Director of Entrepreneurship, der die Stimmung zusätzlich befeuert, indem er alle, die durch den Demo Day Appetit auf Start-ups bekommen haben, für das nächste Accelerator-Programm einlädt, das schon in wenigen Monaten startet. Da wirkt es auch nicht übertrieben, wenn Nils Stieglitz, der Präsident der Hochschule, den Abend zu einer großen Party erklärt: zur „Feier von Innovation und Entrepreneurship“.
Aber auch wenn im Audimax so viel Adrenalin unterwegs ist wie in der Gymnasiumsaula, so hat der Demo Day des Entrepreneurship Centre in der Frankfurt School of Finance and Management wenig mit Schultheater gemein. Denn spätestens bei der Präsentation der sechs Geschäftsmodelle, die beim Pitch miteinander konkurrieren, wird klar, dass hier junge Gründer am Start sind, die professionell unternehmerisch tätig sind. Niemand, der sich in Schwärmereien für seine Geschäftsidee verliert. Vielmehr sehr konzise Beschreibungen, worum es geht – kombiniert mit einem Paket von Argumenten, warum das jeweilige Geschäftsmodell am Markt bestehen kann: Wie teilt sich der Markt auf, was können die anderen nicht so gut wie wir, wie viel Geld brauchen wir zum Hochlauf, wie viel Ertragspotenzial ist realistisch? Hier ist nicht „Jugend forscht“, hier ist „Demo Day“.
Jonas stellt eine Fashion App vor, die es Nutzern ermöglicht, einem persönlichen Avatar beim Online-Shopping Kleider anzuziehen. Diego bietet eine Connectors-as-a-Service-Lösung an, mit deren Hilfe Automobilzulieferer in ihrer Lieferkette digitale Zwillinge erstellen können. Ula zeigt eine Plattform, die Kreativen ermöglicht, in Filmproduktionen oder Buchprojekte zu investieren. Alex wirbt für eine Edtech-Anwendung, mit der man Französisch nicht mit Hilfe langweiliger Paris-Ausflüge der legendären Schulbuchfamilie Leroc lernt, sondern anhand genau der Themen, die den Fremdsprachenstudierenden persönlich interessieren. Felix präsentiert seine pflanzenbasierte Lösung für Zellkultursysteme, die den Klima-Fußabdruck in medizinischen Labors reduzieren hilft.
Am Ende macht Mediceo das Rennen – eine App, die Ärzten raschen Zugriff auf kritische Informationen erleichtert. Das liegt sicherlich auch daran, dass die beiden Gründer und Geschäftsführer Tom und Matthias über genug Marketingtalent verfügen, um selbst dem Papst ein Doppelbett verkaufen zu können. Das Preisgeld von 30.000 Euro, das Tom und Matthias mit nach Hause nehmen, ist zwar nur ein kleiner Teil der Summe, die das Jungunternehmen braucht, um voranzukommen. Aber die emotionale Rendite des Demo Day, quasi der Return on Happiness, den das Duo ebenso wie seine Wettbewerber an diesem Abend einstreichen, weil sie von einem vollbesetzten Saal von Kommilitonen gefeiert werden, dürfte dafür ziemlich hoch sein.