Moskau

Alkohol- und Urlaubsprobleme

In diesem Jahr hatten die Russen ihr Osterfest erst ziemlich spät – am 2. Mai. Die zeitliche Abweichung vom katholischen und protestantischen Osterfest kommt daher, dass die orthodoxe Kirche das Jahr nach dem alten julianischen Kalender einteilt...

Alkohol- und Urlaubsprobleme

In diesem Jahr hatten die Russen ihr Osterfest erst ziemlich spät – am 2. Mai. Die zeitliche Abweichung vom katholischen und protestantischen Osterfest kommt daher, dass die orthodoxe Kirche das Jahr nach dem alten julianischen Kalender einteilt und nicht dem gregorianischen Kalender folgt. Meinen Bekannten in Moskau ist’s egal. Sie folgen dem Instinkt, und der sagt, man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Und man sollte sich dabei keinesfalls beschränken. Egal, ob man einer Religion und welcher man anhängt, im Vielvölkerstaat feiern manche, was sich gerade an Gelegenheit anbietet. Katholische Ostern – warum nicht, obwohl es weniger als eine Million Katholiken in Russland gibt. Das jüdische Pessach-Fest – nichts liegt näher, zumal gefühlt in jeder zweiten russischen Familie ohnehin irgendein Mitglied jüdische Vorfahren hat und viele auch einen israelischen Reisepass, um damit leichter in der Welt reisen zu können. Ja, und das Feiern der orthodoxen Kirchenfeste steht ohnehin außer Frage, wo doch der russische Nationaldichter Fjodor Dostojewski schon vor über eineinhalb Jahrhunderten festgehalten hat, dass jeder Russe a priori orthodox ist, ob er will oder nicht. Nur bei den islamischen Festen – ein Siebentel der russischen Bevölkerung ist muslimisch – sind sich selbst die feierfreudigsten Russen nicht sicher, ob sie auch diese als Anlass für einen Umtrunk nehmen sollen.

Dass Ostern dieses Jahr zeitlich mit dem 1. Mai zusammenfällt, macht die Feierlaune nur noch größer. Vor allem bei jenen, die sich auf die Erlaubnis von Kremlchef Wladimir Putin hin eine Zusatzwoche Urlaub nehmen, da ja die Corona-Infektionszahlen hoch sind. Die Möglichkeit wurde von so gut wie allen Staatsangestellten genützt, weshalb die Behörden eine Woche zusätzlich geschlossen haben. Die Privatwirtschaft kann sich das nicht ganz so selbstverständlich leisten. Mehr als die Hälfte der Unternehmer gewährt den Mitarbeitern keinen Zusatzurlaub.

Aber ob Privatangestellte oder staatliche Beamte – vor einem Problem sind derzeit alle vereint: Wo kann und wird man dieses Jahr den Urlaub verbringen? Die Frage, die sich natürlich auch im Westen stellt, hat im zunehmend isolierten Russland noch einige pikante Zusatznuancen. So ist völlig ungewiss, wann und ob Europa noch dieses Jahr die Grenzen für russische Touristen öffnen wird – denn das würde voraussetzen, dass eine Impfung mit dem russischen Vakzin Sputnik V anerkannt würde. Zudem zögern die Russen selbst, sich impfen zu lassen. Drittens wurde ihnen vor Kurzem nun auch noch der Flug in die Türkei, eines der Lieblingsurlaubsländer, verwehrt. Offiziell wird dies mit den hohen Corona-Fallzahlen in der Türkei begründet. Inoffiziell ist allen klar, dass der türkische Präsident seinen Moskauer Amtskollegen erzürnt hat, weil er sich im russische-ukrainischen Konflikt zuletzt auf die Seite der Ukrainer gestellt hatte. So was verzeiht der Kremlchef nicht und hat die Flüge in die Türkei erst einmal ausgesetzt.

Problem Nummer 4 in Sachen Urlaub ist übrigens, dass die Russen zwar mehrheitlich unbedingt ans Meer wollen, aber dafür nicht die Krim bevorzugen. Ja, die folgenschwere Annexion der Halbinsel im Jahr 2014 wurde vom Gros der Bevölkerung goutiert. Aber den Russen ist auch klar, dass sie im Urlaub dort von den eigenen Landsleuten finanziell ausgenommen werden und gleichzeitig eine mindere Qualität und einen schlechteren Service erhalten als in der Türkei oder in Europa. Bleibt wieder einmal das geliebte Landhaus, um den Sommer feiernd zu verbringen.

Was im Übrigen den Alkoholkonsum betrifft, so sind Empfehlungen der Gesundheitsexperten im Rahmen der Sputnik-Impfung sehr erhellend. Im Dezember noch hatte die Leiterin der Aufsichtsbehörde für Gesundheitsschutz geraten, zwei Wochen vor und bis zu 42 Tage nach der ersten Dosis abstinent zu bleiben. Schon bald ruderte Alexander Ginzburg, der Chefentwickler des Vakzins, zurück und riet, sich beim Alkoholkonsum nur vernünftig einzuschränken und wenigstens auf Wodka und ähnliche Spirituosen für zumindest drei Tage zu verzichten. Später ruderte er noch weiter zurück und meinte, es gehe auch in den drei Tagen nicht um völlige Abstinenz, sondern um eine Verringerung des Alkoholkonsums. Die Impffreudigkeit hat dennoch nicht zugenommen.

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