LeitartikelSartorius

Belastbare Prognosen werden schwieriger

Nach zwei Gewinnwarnungen innerhalb weniger Monate hält die Nachfragenormalisierung bei Sartorius infolge der abgeflauten Corona-Sonderkonjunktur an. Die fundamentalen Treiber im Biopharmamarkt haben sich aber nicht geändert.

Belastbare Prognosen werden schwieriger

Sartorius

Belastbare Prognosen werden schwieriger

Die Biopharmamarkttreiber sind intakt. Die Nachfrage nach der Corona-Sonderkonjunktur belebt sich bei Sartorius aber nur zögerlich.

Von Carsten Steevens

Zwei Gewinnwarnungen innerhalb weniger Monate: Das Abflauen der Sonderkonjunktur während der Corona-Pandemie führt bei Sartorius zu kräftigeren Bremsspuren als erwartet. Der Life-Science-Konzern aus Göttingen bekommt wie andere Pharmabranchenunternehmen Nachfrageschwankungen zu spüren, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt haben. Zuletzt mussten auch Pfizer und Lonza Prognosen senken, weil sich der Auftragseingang nach Ende des Booms später und langsamer erholt als gedacht. Die Erkenntnis: Erwartungen in und nach außergewöhnlichen Wachstumsphasen lassen sich schwieriger steuern.

Bei Sartorius sind die Gewinnwarnungen in diesem Jahr bemerkenswert, weil sie in der jüngeren Vergangenheit kaum vorkamen. In der Dekade seit 2013 mussten Erwartungen an ein Geschäftsjahr lediglich 2017 ein Mal zurückgenommen werden. Seine damaligen Mittelfristziele bis 2020, die weiter entfernt lagen als diejenigen bis 2025, die nun gerade zurückgenommen wurden, erreichte der Biopharmazulieferer und Laborausrüster dennoch.

Das Wachstum bei Auftragseingang und Umsatz, das bis Ende 2019 in etwa parallel verlief, ging mit Beginn der Pandemie auseinander. Während die Erlöse ihren Höhepunkt im vorigen Jahr erreichten, markierte das Orderaufkommen schon im ersten Quartal 2021 seinen Bestwert. Sartorius erhöhte in dem Jahr zweimal den Ausblick, darunter auch die Mittelfristprognose, und stieg in den Dax auf. Frühe Hinweise auf einen zu erwartenden gegenläufigen Trend, die das Unternehmen nach ersten pandemiebedingten Geschäften im dritten Quartal 2020 gab, verhallten. Euphorisierte Anleger projizierten die Sondereffekte in die Zukunft. Sartorius-Vorzüge markierten 2021 ein Allzeithoch bei über 600 Euro und beendeten das Jahr mit einem Plus von 73%.

Von jenen Gipfeln am Aktienmarkt hat sich Sartorius inzwischen weit entfernt. Nach 38% im vorigen Jahr fielen die Titel 2023 bereits um mehr als 30%. Auch wenn es inzwischen Anzeichen gibt, dass nach der Talfahrt das Ende des Berges erreicht sein könnte, zieht sich die Normalisierung der Nachfrage in die Länge. Der Auftragseingang hat sich im dritten Quartal erstmals seit Anfang 2022 zwar wieder belebt, doch eine weitere Erholung wird sich in den nächsten Quartalen wohl allenfalls langsam durchsetzen.

Dies hat Auswirkungen auf die Profitabilität: Die stark volumengetriebene operative Rendite, die bereits 2021 das bis 2025 avisierte Zielniveau von rund 34% erreichte, dürfte nach den in diesem Jahr erwarteten 28% vorerst nicht an den bisherigen Höchstwert anknüpfen. Dabei haben sich die fundamentalen Treiber für die biopharmazeutische Branche und für Sartorius nicht geändert: Die Bevölkerung altert in vielen Regionen zunehmend. Damit korreliert ein steigender Medikamentenbedarf. Zugleich gewinnen Biopharmazeutika an Bedeutung. Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis 2050 bei dann erwarteten 9,5 Milliarden Menschen weltweit die Zahl der über 65-Jährigen auf über 1,6 Milliarden verdoppelt haben wird. Allein bis 2026 werden dem Biopharmamarkt durchschnittliche Wachstumsraten von rund 10% pro Jahr zugetraut.

Der Kursanstieg der Sartorius-Aktie um bis zu 9,2% nach Vorlage der jüngsten Quartalsmitteilung zeigt an, dass Anleger von den Potenzialen des Unternehmens weiterhin überzeugt sind. Darauf deutet auch das Ergebnis der ersten Anleihenplatzierung zur Refinanzierung des bislang teuersten Zukaufs hin – der Übernahme des französischen Gen- und Zelltherapietechnologieanbieters Polyplus. Die Emission im September war mehr als sechsfach überzeichnet.

Auftragseingang, Umsatz und auch die 2023 erwartete operative Marge liegen über den Vergleichswerten im Jahr vor Beginn der Pandemie. Der Konzern selbst hat seinen Glauben an das eigene Geschäftsmodell im bisherigen Jahresverlauf erkennen lassen, indem Stellen im Verhältnis zum Umsatzrückgang weniger stark reduziert wurden. Es wäre aufgrund der erhöhten Nachfrageschwankungen aber nicht überraschend, würde Sartorius bei der Vorlage des Ausblicks für 2024 sowie neuer Mittelfristziele im Januar mehr Vorsicht an den Tag legen. Und sei es in Form größerer Prognosebandbreiten.

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