LeitartikelExxon Mobil und Chevron

Amerikas gierige Ölriesen benötigen einen Umbruch

Amerikas Ölriesen verplempern mit Streitigkeiten um vermeintlich lukrative Förderprojekte Ressourcen. Dabei ignorieren sie anhaltend die fundamentalen Zukunftsprobleme des eigenen Geschäfts.

Amerikas gierige Ölriesen benötigen einen Umbruch

Ölförderung

Big Oil und die kontraproduktive Gier

Die US-Ölriesen müssen in die Zukunft investieren, statt mit Streit um Förder-projekte Ressourcen zu verplempern.

Von Alex Wehnert

Amerikas Ölriesen benötigen einen Umbruch. ExxonMobil, Chevron und Konsorten müssen aufhören, in der Vergangenheit zu leben und in Erinnerungen an Boomjahre zu schwelgen, die in dieser Form wohl nicht mehr zurückkommen werden. Doch statt die fundamentalen Zukunftsprobleme des eigenen, limitierten Geschäftsmodells anzugehen, verstrickt sich Big Oil aus kurzfristiger Gier in kontraproduktive Streitigkeiten untereinander.

So fetzen sich Exxon und Chevron seit Monaten um Beteiligungen an einem Förderprojekt in Guyana. Exxon, die New Yorker Hess und die chinesische CNOOC haben vor der Küste des südamerikanischen Staates einen der größten Ölfunde der Moderne gemacht: Die Beratungsfirma Rystad Energy prognostiziert, dass Guyana in den kommenden zehn Jahren 1,9 Millionen Barrel Öläquivalent pro Tag produzieren wird – damit würde der Output doppelt so hoch ausfallen wie jener der Nachbarin und Opec-Vertreterin Venezuela. Chevron will sich durch eine 53 Mrd. Dollar schwere Übernahme von Hess einen Anteil von 30% an dem Förderprojekt sichern. Exxon, deren Beteiligung sich auf 45% beläuft, pocht allerdings auf Vorkaufsrechte. Die Rivalen beharken sich deshalb seit Frühjahr in einem Schiedsverfahren, eine zentrale Anhörung vor der Internationalen Handelskammer in Paris ist erst für Mai 2025 angesetzt.

Falscher Fokus

Analysten werden nicht müde zu betonen, wie viel dabei auf dem Spiel steht: Chevron könnte Zugang zum wichtigsten Upstream-Projekt des Rivalen erhalten oder sich im Fall einer Niederlage damit konfrontiert sehen, dass die Hess-Übernahme plötzlich sinnfrei geworden ist. Zwar sehen die Bedingungen des Deals vor, dass Chevron sich ohne Auflösungsgebühr zurückziehen kann, sollte Exxon sich im Guyana-Streit durchsetzen. Dennoch ist mit Investorenklagen zu rechnen, sollte die Akquisition nicht zustande kommen. Doch liegt der Fokus damit auf dem falschen Thema.

Denn wenngleich Exxon im zweiten Quartal dank einer rekordhohen Produktion in Guyana und dem texanischen Permbecken einen der größten Gewinne jemals eingefahren hat, geht die Profitabilität der Ölriesen im Vergleich zu den beiden Vorjahren bereits zurück. Wie Chevron ringt der Branchenführer nicht nur mit niedrigen Erdgaspreisen, sondern auch mit schwächeren Margen im Raffineriegeschäft. In diesem geht das von S&P Global besungene, durch den Nachfragesprung nach der russischen Invasion in der Ukraine ausgelöste „Platin-Zeitalter“ seinem Ende entgegen. Indem die Ölriesen die Förderung – insbesondere am umkämpften Standort Guyana – ankurbeln und den Markt damit stärker sättigen, verschärfen sie dieses Problem noch. Hinzu kommt dabei, dass während der Pandemie heruntergefahrene Raffinerien, die im Anschluss Schwierigkeiten mit dem Restart hatten, wieder am Netz sind.

Konzerne deuten niedrigere Ausgaben an

Die Antwort von Exxon und Chevron, so deuten es ihre Budgetpläne für die kommenden Jahre an, dürfte in niedrigeren Investitionsausgaben bestehen. Auch dies ist allerdings der falsche Weg – statt die Kapitalaufwendungen zurückzufahren, müssten die Ölriesen damit anfangen, ihre gewaltigen Cash-Bestände fokussierter einzusetzen. Dies bedeutet: Weg von veralteten Förder- und Verarbeitungsanlagen für fossile Brennstoffe, deren langfristige Nachfragesituation in einer zunehmend nachhaltigkeitsfokussierten Welt ungewiss ist, und hin zu zukunftsfähiger Energietechnologie.

Doch Aktionäre, die bei den Konzernen auf Emissionsreduktionen drängen, sehen sich mit Klagen konfrontiert – so geschehen zu Jahresbeginn, als Exxon Investoren vor Gericht zerrte, die ihre Klimainitiative anschließend fallen ließen. Dass Big Oil sich außerstande sieht, mehr Fokus und Mittel für Zukunftsprojekte aufzuwenden, mutet gerade mit Blick darauf absurd an, dass für milliardenschwere Übernahmen, Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen stets genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Sicher, der Geldregen hält Aktionäre bei der Stange, die Ölwerte zudem als Hedge gegen einen Einbruch von Tech-Aktien nutzen. Doch mittelfristig dürfte der kontraproduktive Kapitaleinsatz von Exxon und Chevron auch diesen Anlegern zu denken geben.