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Apuliens Olivenbaumsterben

Im süditalienischen Apulien sterben immer mehr Olivenbäume, die von einem Bakterium befallen sind. Das ist ein wirtschaftliches Desaster für die Region, die gleichzeitig vom wachsenden Interesse der Touristen und auch von Investoren profitiert.

Apuliens Olivenbaumsterben

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Apuliens Olivenbaumsterben

Von Gerhard Bläske

Selbst Ende Oktober/Anfang November zieht es noch viele Touristen an den italienischen Stiefelabsatz in Apulien. Die Temperaturen sind mild, das Meer ist noch angenehm warm und lädt zum Bade ein. Und die örtliche Gastronomie sowie beeindruckende Barockstädte wie Lecce und Nardò sind ohnehin einen Besuch wert.

Doch Apulien ist nicht nur ein Touristenzentrum, sondern auch ein großer Wein-, Obst- und Gemüseproduzent und traditionell Italiens größter Olivenölerzeuger. Doch der Zustand vieler Olivenhaine ist vor allem im Salento, ganz im Süden, oft zum Heulen. 21 Millionen Bäume sind dem vermutlich aus Amerika eingeschleppten Bakterium Xylella zum Opfer gefallen. Riesige Flächen wurden entweder abgeholzt oder aber es sind nur verdorrte Gerippe übrig geblieben. Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Ernte-Erlöse Apuliens halbiert. Ein Grund dafür, dass es so schnell ging, war, dass der Widerstand vieler Landwirte gegen die notwendige großflächige Abholzung der befallenen Bäume so groß war: Viele der knorrigen Bäume sind mehrere hundert Jahre alt und es dauert, bis neu angepflanzte Bäume wieder Früchte tragen.

Das Bakterium hat inzwischen die Provinz Bari erreicht. Und als wäre das nicht schon genug Schaden, warten die Geschädigten oft schon seit Jahren auf Entschädigungen bzw. Hilfen für die Wiederanpflanzung. Der Sonderplan zur landwirtschaftlichen Regenerierung mit einem Volumen von 300 Mill. Euro wird nur sehr zögerlich umgesetzt. Die Bürokratie ist gerade im Süden unendlich schwerfällig.

Auch die große Hitze und Trockenheit im Sommer sowie die organisierte Kriminalität setzen den Bäumen kräftig zu. In der Provinz Bari etwa werden immer wieder besonders wertvolle Olivenbäume nachts von kriminellen Banden abgeholzt, wie jüngst bei dem renommierten Hersteller Oliveti Pileri aus Terlizzi in der Provinz Bari. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti vermutet dahinter kriminelle Organisationen, „die die Konkurrenz und den freien Markt zerstören wollen“. Doch trotz Überwachungskameras und des Einsatzes von Drohnen und Sicherheitspatrouillen ist den Kriminellen bisher nicht auf die Schliche zu kommen.

Bei den Touristen erfreut sich die Region seit etwa 10 bis 15 Jahren enormer Beliebtheit. Während es in den heißen Sommermonaten hauptsächlich Italiener sind, die für ausgebuchte Unterkünfte sorgen, sind es im Herbst ausländische Kulturhungrige, die einzigartige Baudenkmäler wie das Castel del Monte des Stauferkaisers Friedrich II., die vielen Barockstädte oder die Strände der Region aufsuchen.

Auch Prominente wie die britische Schauspielerin Helen Mirren haben die Region für sich entdeckt. Sie hat vor Jahren eine Masseria, ein Bauernhaus, im Salento erworben und selbst 80 Olivenbäume durch die Xylella verloren. Der Schlagersänger Al Bano produziert hier Wein und Olivenöl, und Bernard Arnault, zweitreichster Privatmann der Welt und Chef des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH, besitzt eine Masseria der Extra-Luxusklasse in der Nähe der pittoresken Hügelstadt Ostuni mit ihren weiß gekalkten Häusern. Arnault ist in Apulien auch sonst aktiv: Er hat Beteiligungen am Lederproduzenten Manifattura Salento AF erworben, der für Dior arbeitet, und am Modehersteller Aeffe Lux. Außerdem soll er an einer Mehrheitsübernahme des Luxus-Schuhproduzenten Leo Shoes interessiert sein. LVMH hat auch italienische Luxus-Brands wie Bulgari, Loro Piana, Fendi und Emilio Pucci im Portfolio.

Auf die vielen Mittelständler Apuliens zu setzen, ist vielleicht besser, als mit gigantischen Subventionen großindustrielle Betriebe wie das riesige Stahlwerk von Taranto (Ex-Ilva) künstlich am Leben zu halten. Die enorme Anlage in der von Historikern als „Paris der Antike“ bezeichneten Hafenstadt hat große Umweltschäden verursacht und ist verantwortlich für tausende von Krebserkrankungen und Todesfälle. Italiens Steuerzahler hat das hoch defizitäre Werk Milliarden gekostet.  

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