KommentarKlimapolitische Kehrtwende

Atempause bei Klimazielen für Großbritannien

Der britische Premierminister Rishi Sunak will die ambitionierten Klimaziele der Realität anpassen. Nun soll das Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor erst 2035 kommen, fünf Jahre später als bislang geplant.

Atempause bei Klimazielen für Großbritannien

Klimaziele

Atempause für Großbritannien

Von Andreas Hippin

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat vor, die ehrgeizigen Klimaziele des Landes der Wirklichkeit anzupassen. Für viele Briten käme das einer Atempause gleich. Denn seine Amtsvorgänger waren nicht ehrlich, was die Kosten der Energiewende und die dafür nötigen Kompromisse angeht. Den Planeten retten und dabei reich werden, wird nicht möglich sein. Nun soll die Bevölkerung bei rasant steigenden Lebenshaltungskosten dafür aufkommen. Die schon bei Verabschiedung des Climate Change Act 2008 versprochenen grünen Arbeitsplätze sind bis heute nicht in nennenswerter Zahl entstanden. Als Theresa May gesetzlich verankerte, dass das Land bis 2050 klimaneutral werden muss, war erneut von Millionen von qualitativ hochwertigen Jobs die Rede, ohne dass sich etwas in dieser Hinsicht tat.

Ladeinfrastruktur fehlt

Schon als er seine Verbündete Claire Coutinho vor drei Wochen zur Energieministerin machte, war vielen in Westminster klar, dass Sunak eine klimapolitische Kehrtwende ansteuert. In Großbritannien gibt es bislang lediglich in London und im englischen Südosten eine halbwegs tragfähige Ladeinfrastruktur für Batteriefahrzeuge. Viele Briten haben nicht das nötige Kleingeld für ein neues Auto, schon gar nicht für eins mit Batterieantrieb. Es fehlt an Installateuren für die massenhafte Installation von Wärmepumpen. Viele Altbauten lassen sich nicht hinreichend isolieren, um sie sinnvoll zu nutzen. Oft gibt es dafür nicht ausreichend Platz. In ländlichen Regionen gibt es mancherorts keine Alternative zur Ölheizung.

Sunak nutzt die Chance, sich vor den nicht mehr allzu weit entfernten Wahlen gegen Labour zu positionieren. Er will sich als Pragmatiker profilieren, indem er das Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor um fünf Jahre hinausschiebt, was dem entsprechenden Datum für die EU entspricht. Das Verbot von neuen Ölheizungen soll von 2026 auf 2035 vertagt werden. Ähnlich soll mit Gasheizungen verfahren werden. Damit nicht genug: Sunak hält nichts von neuen Steuern, die Menschen von Flugreisen abhalten sollen. Er will auch niemandem vorschreiben, dass er kein Fleisch essen soll.

Natürlich macht er sich damit reichlich Ärger in der eigenen Partei, denn die Tories beherbergen eine Menge Klimaaktivisten. Auch die Autoindustrie, die sich bereits auf 2030 eingestellt hatte, ist nicht begeistert. Doch parteiinternen Streit ist Sunak gewohnt. Auf die Fahrzeugbauer hatte man schon bei der Entscheidung für den EU-Austritt nicht gehört. Und bei den Wählern kommt die neue Richtung einer Umfrage zufolge gut an.

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