LeitartikelChefwechsel

Audi-Neustart mit Risiken

Gernot Döllner ist der neue Hoffnungsträger von Audi. Der designierte CEO an der Spitze der Volkswagen-Tochter soll das Unternehmen auf Kurs bringen. Doch der Neustart birgt Risiken.

Audi-Neustart mit Risiken

Chefwechsel

Audi-Neustart mit Risiken

Von Stefan Kroneck

Gernot Döllner ist der neue Hoffnungsträger von Audi. Der designierte CEO soll die Volkswagen-Tochter auf Kurs bringen. Das ist eine schwierige Mission.

Wenn ein Unternehmen wie Audi binnen sechs Jahren drei Vorstandsvorsitzende verschleißt, ist das ein Zeichen dafür, dass dort einiges im Argen liegt. 2018 musste Rupert Stadler, der dieser Tage wegen Betrugs durch Unterlassen verurteilt wurde, wegen der Dieselabgasmanipulationen gehen. Sein Nachfolger Bram Schot war eine Übergangslösung. Den seit April 2020 agierenden Markus Duesmann setzte der Volkswagen-Mutterkonzern nach nur etwas mehr als drei Jahren ab. Das frühere Vorstandsmitglied vom Wettbewerber BMW erwies sich aus Sicht der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch sowie von VW-Konzernchef Oliver Blume als Fehlbesetzung.

Als neuer Hoffnungsträger bei der Marke mit den vier Ringen gilt nun Gernot Döllner. Für Porsche-CEO Blume, der seit September vergangenen Jahres auch den Wolfsburger Mehrmarkenkonzern in Personalunion führt, ist der promovierte Maschinenbauingenieur und VW-Strategiechef die ideale Führungskraft. Im Gegensatz zu Duesmann verfügt Döllner über eine Hausmacht im VW-Reich. Er ist ein Eigengewächs des Dax-Riesen. Zudem, und das ist entscheidend, genießt Döllner das Vertrauen der Eigentümer und von Blume. Denn der Manager verfügt über Porsche-Stallgeruch. Er ist ein enger Vertrauter des mächtigen Konzern-CEO.

Der Auto-Manager Döllner bringt somit beste Vorrausetzungen mit, um bei Audi etwas zu bewegen. Doch was gibt es genau zu tun? Die traditionsreiche Ingolstädter Konzerntochter ist kein Sanierungsfall. Die Bilanz ist kernsolide. Diesbezüglich besteht also kein dringender Handlungsbedarf. Im vergangenen Jahr steigerte Audi den Umsatz um 16% auf 62 Mrd. Euro. Das Betriebsergebnis wuchs um 37% auf fast 8 Mrd. Euro.

Doch operativ läuft es nicht mehr rund. Probleme in der Software-Entwicklung führten zu Verzögerungen beim Marktstart wichtiger Elektromodelle mit hohen Deckungsbeiträgen. Im ersten Quartal brach der Autoabsatz um 8% ein. Zum Vergleich: Die größeren Wettbewerber BMW und Mercedes-Benz schnitten zum Jahresstart deutlich besser ab. Der Rückstand zu den Premiummarken der Konkurrenz aus München und aus Stuttgart wächst. Zugleich läuft die Umstellung auf Elektrofahrzeuge nicht so zügig wie erwünscht. Im größten Einzelmarkt China musste Audi zuletzt Absatzeinbußen verzeichnen. Der größte chinesische Autohersteller BYD zeigt die Rücklichter. Der Wettbewerbsdruck in Heimatmarkt Deutschland wächst.

Bei Audi klaffen Anspruch und Wirklichkeit stark auseinander. Der Firmenslogan „Vorsprung durch Technik“ wirkt wie eine Schimäre. Konzernintern büßte Audi infolge des Dieselskandals an Zugkraft ein. In der Rivalität mit Porsche um die Vorherrschaft auf den Konzernfeldern Entwicklung und Design hat Audi zurückstecken müssen. Die Zuffenhausener Edelmarke, die im Zuge des Börsengangs noch mehr als Selbstbewusstsein gewann, spielt auf diesem Gebiet im VW-Gebilde nun die erste Geige. Blume will sein Porsche-Erfolgsrezept bei den anderen Konzern-Automarken anwenden. Döllner rückt in die Rolle eines Gehilfen, um das Luxus-Konzept seines Förderers mit deutlich mehr Tempo umzusetzen.

Zweifel bestehen aber, dass das auf absehbare Zeit gelingt. Das zeigte sich auf dem Kapitalmarkttag des Konzerns im Juni. Die Anleger sind skeptisch, dass Blumes Plan aufgeht. Denn die Strategie des Sportwagenbauers lässt sich nicht eins zu eins auf einen Premium-Volumenhersteller wie Audi, der im Jahr sechsmal so viel Fahrzeuge absetzt wie Porsche, übertragen. Dafür sind die Firmenstrukturen zu unterschiedlich. Für Blume geht die Profitabilität vor Volumen. Das impliziert ein wachsendes Angebot von E-Modellen mit hohen Deckungsbeiträgen. Dieser Trend birgt allerdings das Risiko, dass Audi und Konzern-Volumenmarken wie VW und Škoda kleine Modelle sukzessive vernachlässigen. Damit öffnet sich das Einfallstor für Wettbewerber wie BYD, die sich anschicken, in diesem Segment den deutschen Markt aufzurollen. Für Döllner wird daher die Führung von Audi zu einem Balanceakt zwischen den Vorgaben der Konzernmutter und dem operativ Machbaren. Das ist eine schwierige Mission.

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