Auf der Spur des Geldes
Auf der Spur des Geldes
Europäische Union, der Bund und die nordrhein-westfälische Landesregierung richten in den nächsten Monaten Behörden zur effizienteren Bekämpfung der Geldwäsche ein. Zugleich versprechen sie eine engere Vernetzung der Ämter. Und sie justieren den strategischen Ansatz hin zu den Finanzflüssen: Follow the money!
Von Detlef Fechtner, Brüssel
Mitte Juli dieses Jahres haben Hunderte von Unternehmen in Italien, Spanien, Portugal, den Niederlanden, Ungarn, Belgien und Deutschland unerwünschten Besuch von Strafermittlern erhalten. Unter dem Operationsnamen „Huracán“ durchsuchten sage und schreibe 3.000 Beamte von Steuer- und Zollverwaltung sowie Polizei Geschäftsräume in sieben EU-Ländern und konfiszierten Dokumente – auf Basis von 450 Durchsuchungsbeschlüssen und fünf Haftbefehlen.
Zuvor hatte die Europäische Staatsanwaltschaft einen groß angelegten Mehrwertsteuerbetrug beim internationalen Handel mit mehr als 10.000 Kraftfahrzeugen mit einem Schaden für den Fiskus von mehr als 38 Mill. Euro aufgedeckt. Das Ergebnis der konzertierten Aktion: die Beschlagnahme von Hunderten Autos und die Sicherstellung von Millionenbeträgen. Die Ermittlungen, so erläuterte die Europäische Staatsanwaltschaft, begründeten den Verdacht nicht nur auf Mehrwertsteuerbetrug, sondern auch auf organisierte Kriminalität und Geldwäsche.
Der Fall „Huracán“ sei „ein wunderbares Beispiel, wie es gut gehen kann“, sagt Andrés Ritter, stellvertretender EU-Generalstaatsanwalt. Denn hier gelang, was sonst oft schwierig ist – die enge und effektive Zusammenarbeit von Behörden der EU, der Mitgliedstaaten und sogar von Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen. Ein wichtiger Faktor, so argumentieren die beteiligten Behörden, sei dabei gewesen, dass während der Ermittlungen dieselben Ansprechpartner miteinander in Kontakt standen. Denn in der Praxis sei die persönliche Vernetzung mitentscheidend für den Ermittlungserfolg.
Politisch viel in Bewegung
Damit „Huracán“ kein Einzelfall bleibt, sondern der Kampf gegen Geldwäsche, Mehrwertsteuerbetrug und gegen andere Formen der Finanzkriminalität in Europa mehr Biss bekommt, ist derzeit politisch viel in Bewegung. Die EU-Gesetzgeber, also Europäisches Parlament und Ministerrat, sind auf der Zielgeraden bei der Verabschiedung eines neuen Anti-Geldwäsche-Pakets. Darin geht es zum Beispiel um eine Ausweitung des Kreises der sogenannten Verpflichteten um Crowdfunding- oder Kryptodienstleister, um eine EU-weite Bargeldobergrenze und um die Schaffung einer EU-Anti-Geldwäschebehörde, die Anti Money Laundering Authority (AMLA). Bemerkenswerterweise bereitet auch der Bund gerade eine eigene Einheit vor, nämlich die Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Und auch in Nordrhein-Westfalen geht schon bald ein „Landesamt gegen Finanzkriminalität“ an den Start.
Ihre Arbeit sollen übrigens alle drei Ämter – von EU, Bund und Land – im Laufe des nächsten Jahres aufnehmen. Und natürlich ist eine enge Vernetzung geplant. „Bund und Länder haben im Sommer konkrete Formen der Zusammenarbeit festgelegt“, erklärt der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk. Das neue Landesamt folge „dem Prinzip der zusammengeschobenen Schreibtische“. Der Minister beklagt, dass die Behörden zwar über viele Spezialerkenntnisse verfügten, aber eben an verschiedenen Stellen. Es gehe nun darum, Sondereinheiten zu bündeln und Ressourcen zusammenzuführen. Damit beschreibt der Christdemokrat, was auch der leitende Gedanke bei der Einrichtung der AMLA und der Bundesoberbehörde ist, an deren Aufbau sich NRW sogar beratend betätigt: Durch Bündelung der Ressourcen und vor allem durch breiten Zugang zu Daten will Europa endlich die Fragmentierung beheben, die bislang den Kampf gegen Geldwäscher erheblich erschwert.
Anderer Ermittlungsansatz
Einhergehend mit der engeren Zusammenarbeit ändert sich gegenwärtig auch die Strategie im Vorgehen der Fahnder und Ermittler. „Bisher haben wir Geldwäsche ermittelt, indem sich die Behörden vorwiegend auf die Vortaten wie zum Beispiel Betrug oder Drogenhandel konzentriert haben – und davon ausgehend Geldwäsche nur als Annex dazu in den Blick genommen haben“, berichtet Ministerialdirigent Marcus Pleyer, der das Thema federführend im Bundesfinanzministerium betreut. „Der Ermittlungsansatz fokussiert nun stärker von vorneherein auf die Finanzflüsse: Follow the money, wir folgen der Spur des Geldes“, unterstreicht Pleyer. Dadurch gelinge es, in die Netzwerke und damit in die organisierte Kriminalität vorzudringen – um nicht nur die kleinen Straftäter dingfest zu machen, sondern auch die großen Verbrecher.
Natürlich geraten die Geldwäschebekämpfer bei ihren Ermittlungen schnell an rechtliche Grenzen, insbesondere an Datenschutzvorgaben, die eine umfassende Weitergabe großer personenbezogener Datenmengen nicht erlauben. Aber längst gibt es Überlegungen und Pilotprojekte zu Methoden, die eine Vereinbarkeit von Datenschutz und effizienter Geldwäscheermittlung ermöglichen. Dazu zählen sogenannte wandernde Algorithmen, die bei verschiedenen Banken Daten analysieren, was die Notwendigkeit erspart, die Daten zunächst einmal zu sammeln. Hessen etwa versucht in seinem Projekt EuroDaT-AML vermittels einer Partnerschaft zwischen öffentlichen Stellen und privaten Akteuren ein Datenpooling unter Einbindung eines Treuhänders. Nicht zuletzt wegen der Pseudonymisierung, so betonen die Projektbeteiligten, erlaube dieses Vorgehen eine effiziente und effektive Analyse der Mittelherkunft in digitalisierter Form – und zwar im Einklang mit Datenschutzregeln.
Erfolgsfaktor Geschwindigkeit
Ob das alles reicht, um den Kriminellen effektiv Paroli zu bieten, ist unklar. Es gebe zwar "gute Fortschritte" bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität, sagt Alexandra Jour-Schröder, stellvertretende Generaldirektorin in der für Finanzdienstleistungen und Finanzstabilität zuständigen Abteilung der EU-Kommission. Viele internationale Initiativen seien auf den Weg gebracht worden. "Dennoch können wir mit der gegenwärtigen Situation nicht zufrieden sein", sagt Jour-Schröder. Sie erinnert an die Dimension des Problems. Europol schätze, dass 1,3% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union mit verdächtigen Finanzaktivitäten in Zusammenhang stehen.
Einig sind sich alle Beteiligten im Kampf gegen Geldwäsche, dass Geschwindigkeit im Informationsaustausch zu den Erfolgsfaktoren zählt. Eine schnelle Verfügbarkeit bedeutet wiederum, dass der Austausch idealerweise automatisiert und die Verfahren standardisiert, in jedem Fall aber modernisiert werden sollten. Den bisherigen Methoden der Fahndung, von analogen Papierunterlagen bis zum Ankauf von Steuer-CDs oder Datensticks, werde ein neues Kapitel hinzugefügt, erklärt Minister Optendrenk und fügt hinzu: "Der Staat muss für die effiziente Bekämpfung der Finanzkriminalität die modernsten Verfolgungsinstrumente konsequent einsetzen."
Wenn es nicht gelinge, im Kampf gegen die Finanzverbrecher erfolgreich zu sein, stünden mehr als nur hohe Geldsummen im Feuer. "Die Handlungsfähigkeit des Staates wird hinterfragt", argumentiert der nordrhein-westfälische Finanzminister. Es gehe nicht nur um die Durchsetzung des Rechtsstaats, sondern um die Legitimation des Staats. Der müsse dafür Sorge tragen, dass Fahndungserfolge keine Zufallsfunde seien, sondern das Ergebnis systematischen Vorgehens der vernetzten Behörden.
EU-Generaldirektionsvize Jour-Schröder mahnt vor diesem Hintergrund an, die EU-Gesetzgeber sollten das Anti-Geldwäsche-Paket in den nächsten Wochen beschließen. Kein Bürger werde akzeptieren, dass es Defizite im Kampf gegen Finanzkriminelle gebe, nur weil sich Mitgliedstaaten nicht verständigen konnten – etwa darauf, ob Frankfurt oder eine andere europäische Stadt den Zuschlag für den Sitz der AMLA erhalte.