Finanzmärkte

Auf die Mischung kommt es an

Wer streut, rutscht weniger. Diversifikation, also das Streuen des Kapitals über und innerhalb verschiedener Assetklassen und Regionen, ist ein Fundament für gute Anlageergebnisse. Wohlgemerkt die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Mit...

Auf die Mischung kommt es an

Wer streut, rutscht weniger. Diversifikation, also das Streuen des Kapitals über und innerhalb verschiedener Assetklassen und Regionen, ist ein Fundament für gute Anlageergebnisse. Wohlgemerkt die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Mit anderen Worten: Diversifikation ist nicht alles, aber ohne Diversifikation ist alles nichts.

Doch was macht heutzutage eine gute Mischung aus? Das aktuelle Finanzmarktumfeld fordert Anlageerwartungen heraus. Der mittlerweile eingedeutschte Ausdruck „irrational exuberance“ wird seit der Dotcom-Blase mit Marktübertreibungen assoziiert, bei denen sich Wertpapierkurse aufgrund überbordenden Optimismus von Bewertungsfaktoren entkoppeln. In den letzten Jahren beschreibt das Wort „exuberance“ aber auch das Verhalten von Zentralbanken und Regierungen. Deren Markteingriffe in Form von Anleihekaufprogrammen und Stützungspaketen sind präzedenzlos. Hauptsache „big“ und „mit Wumms“ – darunter geht es nicht mehr, wie zuletzt wieder in den USA gesehen. Traditionelle Demarkationslinien zwischen Geld- und Fiskalpolitik werden dabei ausradiert. Unter dem Narrativ der Modern Monetary Theory (MMT) soll deren Fusion wissenschaftlich hoffähig gemacht werden.

Die Stichworte hierbei sind finanzielle Repression, fiskalische sowie finanzielle Dominanz: Die Zentralbanken halten die Marktzinsen mit aller Kraft unter der Rate des Wirtschaftswachstums, um es den Staaten zu ermöglichen, aus der stark gestiegenen öffentlichen Verschuldung herauszuwachsen. Die Währungshüter werden zum Erfüllungsgehilfen der Staaten, indem sie primär deren Solvenz sichern; die Höhe der Inflation wird dabei von den Nöten der öffentlichen Hand bestimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Notenbanken in einer Art umgekehrter Maßgeblichkeit immer stärker nach den Signalen und Bedürfnissen der Finanzmärkte richten – und nicht andersherum. Das implizite Zinsverbot bahnt einem neuen Staatskapitalismus möglicherweise den Weg.

Weniger Renten, mehr Aktien

Die Folge ist ein in Summe komprimiertes Ertragsumfeld. Zuvorderst gilt dies im Anleihesegment, das über Laufzeiten und Bonitäten hinweg niedrige bis negative Renditen aufweist. Das ist bemerkenswert, denn aufgrund des semiradikalen Unsicherheitsregimes müssten die am Markt eingeforderten Unsicherheitsprämien eigentlich höher sein als die historischen Risikoprämien. Die Liquiditätsflut der Zentralbanken hat derartige Zinsaufschläge aber weggespült, in diesem Kontext senkt sie alle Boote.

Dies hat Auswirkungen auf die strategische Portfolioaufstellung. Sie muss an diese Gegebenheiten angepasst werden. Für eine Mischfonds-Agenda sind drei Merkmale hervorzuheben. Erstens schrumpft der Rentenblock, und hierbei insbesondere die Staatsanleihen. Deren Eigenschaften ändern sich: Staatstitel hoher Bonität – die sicheren Häfen – stellen nicht länger die Basis zur Einkommenserzielung dar. Vielmehr bekommt dieses Anlagesegment einen gewissen Aktiencharakter, da Investoren in erster Linie auf taktische Kursgewinne setzen. Als Versicherung gegen Markteinbrüche und im Sinne einer Vorsichtskasse bleiben sie gleichwohl unabdingbar.

Zweitens sind höhere Aktienquoten möglich. Jahrzehntelang galt bei deutschen Anlegern eine 30/70er-Mischung von Aktien zu Renten als Standard. In mit Blick auf die Aktienkultur reiferen Ländern wie die USA, wo die private Altersvorsorge über den Kapitalmarkt traditionell einen höheren Stellenwert einnimmt, waren hingegen 60/40er-Modelle gang und gäbe.

In beiden Ländern dürften sich diese Quoten evolutorisch entwickeln. In Deutschland ist eine paritätische 50/50-Asset-Allocation zu erwarten. Und der angelsächsische Raum dürfte in Richtung 80% Aktien gehen – in Teilen sogar auf 100+, also mit einem Risiko-Overlay. Denn nur mit einem größeren Anteil risikoreicher Assets lassen sich die gewünschten oder benötigten Renditen erwirtschaften. Wichtig dabei aber: Bei höheren Aktienquoten muss neben der Volatilitätstoleranz auch die Haltedauer steigen. Denn Zeit ist Rendite. Eine grobe Richtschnur bietet die biometrische Daumenregel „100 minus Lebensalter gleich Aktienquote“.

Und drittens schließlich gilt es, neben börsengehandelten und liquiden Marktsegmenten (Public Markets) auch nicht gelistete Private-Market-Segmente ins Auge zu fassen, um deren Illiquiditäts-, Deregulierungs- und Laufzeitenprämien abzugreifen. Für viele institutionelle Anleger wären bis zu 20% in Private Debt, Private Equity und Infrastruktur denkbar. Doch Obacht: Aufgrund ihrer Illiquidität entziehen sich diese alternativen Assets weitgehend bewährten taktischen Steuerungsmechanismen wie etwa der dynamischen Vermögensumschichtung oder klassischen Risiko-Overlay-Strategien. Zudem kann die fehlende marktwertbasierte Bewertung überhöhte Diversifikationseigenschaften vorgaukeln. Es ist daher wichtig, die Portfoliosegmente voneinander ge­trennt aufzusetzen, um sich beim Management nicht zu verzetteln.

Mischfonds-Agenda 2025

Die Mischfonds-Agenda 2025 erfordert damit eine holistische Herangehensweise. Dies gilt umso mehr in Zeiten wie heute, in denen die Zeichen einer Übertreibung an den Finanzmärkten deutlich an der Wand stehen. Aktive Diversifikation zwischen und innerhalb der Vermögenssegmente ist ein Muss. Gleiches gilt für ein vorausschauendes Risikomanagement, wo die Devise heißt: weg von starren Risikobudgets, hin zu Staffelungen und antizyklischen Elementen. Wer Blaupausen sucht, mag einen Blick in Richtung amerikanischer Universitäts-Stiftungsfonds und Family Offices werfen. Denn der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist bekanntlich der, der immer zu hundert Prozent richtig liegt.

Ingo Mainert ist CIO Multi Asset Europe bei Allianz Global Investors. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.