Brüssel

Auf einmal geht es ganz schnell mit Equal Pay

Auf den Equal Pay Day folgt der Weltfrauentag: Wer das zelebrieren will, der findet im Radsport eine gute Blaupause für beschleunigte Parität.

Auf einmal geht es ganz schnell mit Equal Pay

In Belgien läuft die Klassikersaison, den Anfang machte wie immer der Omloop Het Nieuwsblad Ende Februar. Das Rennen führt über die Pflastersteine von Ostflandern durch die engen Gassen der Dörfer und über die windanfälligen Felder. Für die Männer ging es in der 77. Austragung über 204 Kilometer, die Frauen bewältigten 128 Kilometer in der 17. Austragung. Damit hat sich für die Frauen bei diesem Rennen schon eine gewisse Tradition ergeben, da die Veranstalter der Flandern-Klassiker in Belgien früher als andere entschlossen waren, zusätzlichen Aufwand zu betreiben und Sponsoren zur Gegenfinanzierung zu finden, damit die Frauen die ihnen gebührende Bühne für den Wettkampf erhalten.

Über die vergangenen 20 Jahre hatte sich da leider einiges an Nachholbedarf ergeben: Es gab seit 2009 keine Tour de France Femmes mehr, der Giro d’Italia Donne blieb wie die Klassiker ohne TV-Präsenz. Doch im vergangenen Jahr hat es gekracht in der Szene, und „Women Cycling“ hat seinen strukturellen und kommerziellen Durchbruch erfahren. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen hatte Eurosport endlich sein Programm um eine ganze Fülle an Straßen- und Cyclocrossrennen der Frauen erweitert und damit Sichtbarkeit und Reichweite hergestellt. Ein solchermaßen erhöhtes Exposure hat dann Kaskadeneffekte für die ökonomische Grundlage: Die Budgets steigen mit der Aufmerksamkeit, die sich über TV-Quoten bestens belegen lässt.

Das beflügelte den allgemeinen Sinneswandel, wurden doch vermehrt reine Frauen-Teams für das Pro Tour Level der UCI neu gegründet – und die arrivierten Top-Marken gründeten reihenweise Frauen-Teams, die mit Trek-Segafredo an der Spitze dann kurzerhand „Equal Pay“ herstellten. Da ziehen jetzt eigentlich alle nach, und auch beim Preisgeld kommt Equal Pay: Die vorne platzierten Damen der diesjährigen Flandern-Rundfahrt am 3. April erhalten mit 50000 Euro einen genauso großen Preistopf wie die Herren. Die Diskrepanz war nämlich beschämend: Während für die Männer 40000 Euro verteilt wurden und Sieger Davide Ballerini 16000 Euro davon erhielt, musste sich Vorjahressiegerin Anna van der Breggen mit 930 Euro aus einem Topf von 4600 Euro begnügen.

Für das Aufstocken des Budgets hat sich die Organisation „Flanders Classics“ in Zusammenarbeit mit KPMG in der Initiative „Closing the Gap“ zusammengetan, die verspricht, dass ab 2023 für alle Rennen der „Flanders Classics“ Parität hergestellt wird. Neben dem Omloop sind das Gent-Wevelgem, Dwars door Vlaanderen, Scheldeprijs, und der Brabantse Pijl – alles Legenden des Radsports. Die „Flanders Classics“ wollen das Produkt Frauen-Radsport zudem stärker eigenständig herausstellen und zukünftig einen separaten Renntag einrichten. Bislang müssen die Damen Frühaufsteherinnen sein, finden ihre Rennen doch aus Gründen der organisatorischen Effizienz meist vor denen der Männer statt.

Für die Aufmerksamkeit muss das aber kein Hindernis sein: Den Sieg von Marianne Vos beim „Amstel Gold Race“ sahen in Holland mehr Menschen als den ihres Jumbo-Visma-Teamkameraden Wout van Aert. Nun ist Marianne Vos in ihrer holländischen Heimat ein Superstar und weltweit eine Inspiration für Frauen – aber diese Verschiebung der Kräfteverhältnisse ist schon ein Indiz dafür, dass sich hier etwas Bahn bricht, was nicht mehr aufzuhalten ist.

Manche Leute haben allerdings den Schuss nicht gehört. Das symbolisiert kein anderer so gut wie Quick-Step-Teamboss Patrick Lefevere, der sich im Vorfeld des erstmals für die Damen veranstalteten Klassikers Paris-Roubaix im Oktober auf eine Art und Weise despektierlich äußerte, dass einem die Spucke wegbleibt. Auf die Frage, ob er sich im Frauen-Radsport engagieren werde, entgegnete Lefevere, er sei doch nicht das Sozialamt, und sprach den Damenrennen den sportlichen Wert ab. Lefeveres Absage an den Frauen-Radsport parierte Ex-Weltmeisterin Lizzie Deignan trocken: „Das trifft sich gut, denn wir sind auch nicht an ihm interessiert.“ Deignan gewann dann Paris-Roubaix, frei nach dem Motto: Ein gutes Leben ist die beste Rache.

Am Montag war in Deutschland Equal Pay Day, heute ist Weltfrauentag: Wer das zelebrieren will, der findet im Radsport eine gute Blaupause für beschleunigte Parität.