Aufbruch nach Nord-Nordost
Notiert in Frankfurt
Aufbruch nach Nord-Nordost
Von Lutz Knappmann
Eines Morgens waren sie da: große Aluminiumwürfel mit schmalem Einwurfschlitz und dickem Schloss. Etage für Etage stehen nun Altpapiertonnen für vertrauliche Geschäftsunterlagen. Vorboten großer Veränderungen.
Die WM Gruppe zieht um – und mit ihr die Börsen-Zeitung. Anfang Oktober verlegt sie ihren Hauptsitz aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel an den Sandweg im nahegelegenen Nordend. Wobei: Ist das nicht eigentlich Bornheim – oder schon das Ostend? Oder zumindest das östliche Nordend?
Gerne verstricken sich eingefleischte Frankfurter ja in Diskussionen, zu welchem Stadtteil – und damit zu welcher der vielfältigen Kiez-Kulturen in der Main-Metropole – eine Adresse denn genau gehört. Farbige Linien in amtlichen Stadtplänen wären dabei eine viel zu formalistische Antwort, als dass sie auf einhellige Akzeptanz stießen.
Es sind diese kurzen Momente der Irritation, die – abseits der gewaltigen organisatorischen und logistischen Aufgaben eines Firmenumzugs – in diesen Tagen die Stimmung in den Büros an der Düsseldorfer Straße prägen. Eine Mischung aus nostalgischem Abschied, neugieriger Vorfreude und dem Versuch, sich im unverändert und unvermindert laufenden Tagesgeschäft von all dem möglichst wenig ablenken zu lassen.
Kleine Aussetzer im routinierten Workflow-Kontinuum: Im Konferenzraum ist die Uhr stehen geblieben. Aber lohnt es sich noch, für die wenigen verbliebenen Tage im alten Gebäude die Batterie zu tauschen? Der Büropflanzenbasar auf dem Weg zur Tiefgarage erinnert daran, welchen Dschungel manche Kolleginnen und Kollegen rund um ihren Schreibtisch gezüchtet hatten. Der Schrank am Ende des Flurs, den seit Jahren niemand mehr geöffnet hat, offenbart jetzt, wo es ans Ausräumen und Ausmisten geht, längst vergessene Erinnerungsstücke an Kollegen, Projekte oder Events. Reichlich Stoff für teambildende Anekdoten. Und ganz nebenbei: Ist der August wirklich schon fast vorbei – obwohl viele Kisten noch nicht gepackt sind?
Der nahende Abschied von den in die Jahre gekommenen Gebäuden im Bahnhofsviertel ist freilich nicht nur im Unternehmen selbst ein großes Thema. Er beschäftigt auch so manche Cafés und Restaurants, die sich über all die Zeit als Fixpunkte im Alltag vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etabliert haben. Eigentlich ist der künftige Verlagsstandort gar nicht so weit weg. Aber wohl doch zu weit, um die bisherigen Stammcafés weiterhin in die tägliche Verpflegungsroutine einzubinden. Dafür gilt es künftig, all die neuen Optionen zum Beispiel an der Berger Straße auszukundschaften. Abschied und Neuanfang.
Es wird wohl nicht lange dauern, bis auch im neuen Domizil wieder geschäftige Routine einkehrt. In die Arbeit und den Arbeitsalltag. Und bis dahin werden sich auch alle einig sein, ob es nun das Ostend ist – oder doch der Osten des Nordends.