LEITARTIKEL

Ausgebrannt

Viel ist in diesen Tagen von den enormen Herausforderungen der traditionellen Autohersteller zu hören, die zugleich einen beispiellosen Absatzeinbruch und einen Strukturwandel zu Elektromobilität bewältigen müssen. Dabei sind es nicht primär die...

Ausgebrannt

Viel ist in diesen Tagen von den enormen Herausforderungen der traditionellen Autohersteller zu hören, die zugleich einen beispiellosen Absatzeinbruch und einen Strukturwandel zu Elektromobilität bewältigen müssen. Dabei sind es nicht primär die Hersteller, die aus der Kurve zu fliegen drohen – Milliardenverlusten im ersten Halbjahr zum Trotz. Die Fremdkapital-Investoren sind auch noch nicht bereit, in die Abgesänge auf Deutschlands Vorzeigekonzerne einzustimmen. Daimler hat unlängst über die erste grüne Anleihe 1 Mrd. Euro an frischen Mitteln für zehn Jahre eingeworben und musste dafür nur eine Verzinsung von 0,75 % p.a. aufbieten. Volkswagen sammelte mit dem gleichen Instrument gut 2 Mrd. Euro in zwei Tranchen über acht bzw. zwölf Jahre gegen nur geringfügig höhere Verzinsung ein. Der Markt für Verbrenner mag mittelfristig ausgebrannt sein, die Könige der Verbrenner-Ära sind deswegen noch lange nicht am Ende, so scheint es.Für die Autozulieferer sieht die Lage teils deutlich prekärer aus. Leoni benötigte beispielsweise bereits im April eine staatliche Bürgschaft in dreistelliger Millionenhöhe. Noch schwieriger ist die Lage für kleinere Zulieferer, die oft kaum Rücklagen haben und von wenigen Großabnehmern abhängig sind. So machen etwa die Gusswerke Leipzig Ende des Monats dicht. Die Gießerei beschäftigte zuletzt rund 400 Mitarbeiter und stellte primär Motorblöcke für verschiedene Marken des VW-Konzerns her. Auch manch andere Gießerei steht nach eigener Auskunft mit dem Rücken zur Wand.Selbst deutlich breiter aufgestellte Unternehmen der automobilen Lieferkette flüchten sich derzeit in tausendfache Stellenstreichungen. Continental schockte Anfang des Monats mit der Ankündigung, bis 2029 weltweit 30 000 Stellen abzubauen – 50 % mehr als bislang avisiert. In Deutschland soll der Stellenabbau auf 13 000 nun sogar nahezu doppelt so hoch ausfallen. Auch Bosch, Mahle, Schaeffler und ZF haben längst den Rotstift angesetzt. Je näher ein Geschäftsbereich am Verbrennungsmotor angesiedelt ist, desto unerwünschter erscheint er aus Sicht der Unternehmen.Den Autozulieferern – wie zum Teil aus der Politik zu vernehmen – vorzuwerfen, den Wandel verschlafen zu haben, ist dabei überaus zynisch. Forderungen nach einer radikalen Umkehr hin zur E-Mobilität lassen sich eben deutlich leichter aussprechen, als diese in der Praxis umzusetzen sind. Insofern ist der Überbietungswettbewerb, der aktuell auf politischer Ebene in der Frage zu beobachten ist, wer den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor am ehesten verbietet, überaus destruktiv. VW-Chef Herbert Diess hatte recht, als er unlängst in einem Interview feststellte, dass eine schnellere Transformation mehr Arbeitsplätze kosten und Firmen in die Pleite treiben werde. Wer unter den Zulieferern nicht ausreichend Zeit hat, sich anzupassen, dürfte aus dem Markt gefegt werden. Und je weniger Zeit gelassen wird, desto mehr Zulieferer trifft es.Auch bei den Herstellern sind die Auswirkungen zu spüren. War Verbrennerexpertise im Haus vor wenigen Jahren noch ein Qualitätsausweis, wird diese nun zum Problem. So sollen im Daimler-Stammwerk in Untertürkheim bis 2025 rund 4 000 von 19 000 Stellen wegfallen, die überwiegend am Verbrennungsmotor hängen. Im Gegenzug soll dort zwar eine Batterieproduktion entstehen, die aber deutlich weniger neue Jobs bringen dürfte, als zuvor weggefallen sind. Hierzulande ist mit der im Sommer stark angehobenen Umweltprämie für den Kauf batterieelektrischer und plug-in-hybrider Fahrzeuge eine Nachfrageverschiebung zu Ungunsten der Verbrenner vorgenommen worden. Das hat den Druck auf betroffene Anbieter von Getrieben, Motorteilen und Abgasreinigungen noch einmal weiter erhöht.Wer in den internationalen Märkten nach Entlastung Ausschau hält, sollte sich nicht allzu große Hoffnung machen. Europas Märkte dürften angesichts der wieder steigenden Coronavirus-Ansteckungen ihr Comeback kaum fortsetzen. Und dass der chinesische Automarkt wieder rundläuft und dort der Verbrenneranteil mittlerweile sogar höher als hierzulande ausfällt, hilft den betroffenen Zulieferern in Deutschland kaum. Was deutsche Autobauer in China verkaufen, wird zu großen Teilen auch dort produziert. Gerade mal 26 7000 Autos wurden 2019 von Deutschland nach China exportiert. Die Auslastung in den hiesigen Werken beeinflusst dies kaum. Der Zuliefererbranche droht ein heißer Herbst. Manches Unternehmen wirkt heute schon ausgebrannt.——Von Sebastian SchmidWährend die Autohersteller die Wende zur E-Mobilität und die Absatzkrise halbwegs im Griff zu haben scheinen, sieht es für viele Zulieferer düster aus. ——