Ausländischer Run auf Immobilien in Japan
Ausländischer Run auf Immobilien in Japan
Japan lockt mit positiven Realrenditen in allen Segmenten. Deutsche Investoren mischen bisher trotzdem kaum mit.
Von Martin Fritz, Tokio
Tokioter Viertel Shinjuku: Japan ist der drittgrößte Immobilienmarkt der Welt.
Viele Immobilienmärkte knirschen – in China geht der zweitgrößte Entwickler Evergrande in die Insolvenz, in den USA zwingen leerstehende Büros zu Abschreibungen, in Deutschland sinken Bewertungen und Bautätigkeiten. Dagegen bieten Japans Immobilien real positive Renditen und ein stabiles Umfeld, so dass Auslandsinvestoren in Scharen dorthin strömen. Ihr Anlagevolumen wuchs 2022 um 12% auf 1,3 Bill. Yen (8,2 Mrd. Euro). Ihr Anteil an allen Transaktionen über 10 Mrd. Yen (63 Mill. Euro) erreichte 44%. Der jüngste Fokus sind Hotels. Nach 1,4 Mrd. Dollar in 2022 erwarben Ausländer in diesem Jahr bereits für 2 Mrd. Dollar Hotels, darunter Goldman Sachs, KKR und Blackstone.
Gegen den Trend
Der J-Reit-Markt, mit 120 Mrd. US-Dollar Marktkapitalisierung und einem Anteil von 50% der größte Markt in Asien, wies laut dem Immobiliendienstleister Cushman & Wakefield selbst in dem für gelistete Reits (Real Estate Investment Trusts) schwierigen Jahr 2022 nur eine geringe negative Gesamtrendite von −4,8% auf. Singapur und Hongkong als Nummer 2 und 3 schnitten mit −11,9% bzw. −23,4% deutlich schlechter ab. In diesem Jahr liegt der Topix-Reit-Index knapp 1% zurück – aufgrund der starken Nachfrage finden die Reits nämlich kaum noch Gebäude-Investments, um ihre Renditeversprechen zu erfüllen. Zugleich können sie wegen stagnierender Aktienpreise nur schwer neues Kapital einsammeln.
Das starke Auslandsinteresse erklärt sich in erster Linie mit Japans monetärem Sonderweg. Wegen der relativ geringen Inflation konnte die Bank of Japan ihre Nullzinspolitik fortsetzen, so dass im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern die Immobilienpreise nicht zurückgingen. Vielmehr stiegen die Preise von Grundstücken, neuen Büros und Wohnungen sowie Mieten leicht an.
Bei einer Kerninflation von zuletzt 3,1% bleiben die Mietrenditen positiv. Die Niedrigzinsen nutzen viele ausländische Investoren über einen Kredit-Leverage in Yen von bis zu 50%. Die Banken stellen entsprechende Kredite problemlos bereit. Die Bank of Japan will die Zinsen nur erhöhen, wenn auch die Löhne nachhaltig steigen. Danach sieht es derzeit nicht aus.
Die schwache Währung biete dazu noch die Chance auf ein „Plus-Alpha zur Rendite“, meint der Immobilieninvestor Leonard Meyer zu Brickwedde, der 2017 den ersten deutschen Fonds für japanische Wohnimmobilien auflegte. „Wenn ein europäischer Investor seinen Einstiegskurs langfristig absichert, entsteht wegen der Niedrigzinsen in Japan eine Prämie von über 2%“, erklärt der Gründer und CEO der Kensho Investment Group in Tokio.
Sinkende Wohnrenditen
Eine weitere potenzielle Prämie ergibt sich aus der absehbaren, mutmaßlich kräftigen Aufwärtskorrektur beim Yen. Trotz dieser lukrativen Aussichten investierten in erster Linie US-amerikanische und asiatische Adressen in Japan. Aus Europa waren nur der französische Assetmanager Axa und die Schweizer UBS aktiv. „Bei deutschen Investoren herrscht derzeit eine lähmende Schockstarre, statt nach Japan zu gehen“, beobachtet Meyer zu Brickwedde.
Wohnen: Dieses Marktsegment, darunter auch Altersheime, zog bisher die größte Aufmerksamkeit der Ausländer auf sich. Laut MSCI-Daten investierten solche Fonds hier von 2020 bis 2022 jeweils 450 Mrd. Yen (2,8 Mrd. Euro), die Hälfte mehr als in den Jahren 2017 bis 2019. Parallel steigerten die J-Reits ihre Anlagen in Wohnimmobilien seit 2017 um insgesamt 78%, doppelt so stark wie bei Büros. Der Wettbewerb der Kaufinteressenten hat so stark zugenommen, dass aufgrund der höheren Kaufpreise die Wohnrendite im Juli auf das Niveau der Bürorendite gesunken ist. „Mittelfristig werden Japan-Investoren mit Wohnen weniger verdienen als mit Büros, so wie in anderen reifen Märkten“, kommentiert der deutsche Experte.
Einige Investoren reagieren auf den Angebotsmangel, indem sie sich selbst als Entwickler betätigen, obwohl sie ihr eigenes Risiko damit deutlich erhöhen. So kündigte die Schweizer UBS Asset Management an, im Osten Tokios ein 18-stöckiges Gebäude mit 563 Einheiten für 213 Mill. Euro selbst zu errichten. Denn der Sektor bleibt attraktiv: Der Preisindex für neue und gebrauchte Eigentumswohnungen verzeichnet seit 2013 einen stetigen Anstieg. Auch landesweit nehmen die Preise für Wohngrundstücke zu.
Der durchschnittlich gezahlte Preis für neue Wohnungen in Tokio stieg in der ersten Jahreshälfte 2023 gegenüber dem Vorjahr um 60% auf das historische Hoch von 129,6 Mill. Yen (820.000 Euro). Ein Grund ist statistischer Natur: Erstmals entstehen vermehrt Luxuswohnungen. Von einer „Blase“ mag daher kaum ein Experte sprechen. Die Standardwohnung mit 70 m² ist in Tokio immer noch zu Preisen um 80 Mill. Yen (500.000 Euro) zu haben und im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen bezahlbar.
Trotz niedriger Hypothekenkreditraten ab 0,3% schrecken die gestiegenen Preise für gute Lagen aber manche Privatleute ab. Mieten statt Kaufen bietet sich ihnen als Alternative an. Laut Miet-Indizes von Immobilienwebseiten steigen die Preise für Apartments über 30 m² stärker als für Single-Wohnungen unter 30 m². Auf die starke Käufernachfrage und die höheren Mietpreise reagieren japanische Entwickler mit neuen Projekten, was den Preisauftrieb wiederum dämpft. Ungeachtet der demografischen Alterung stabilisieren Urbanisierung, kleinere Kernfamilien, der Zuzug von Ausländern und Fachkräften sowie steigende Anforderungen beim erdbebensicheren Bauen den Markt.
US-Anleger kaufen Büros
Büros: US-Anleger haben Japan zuletzt als Zielland für Büroimmobilien entdeckt. „Fast jeder andere Büromarkt der Welt würde sofort mit Tokio tauschen", sagte Calvin Chou, Leiter der Asien-Pazifik-Abteilung von Invesco Real Estate, dem „Wall Street Journal“. In Manhatten stehen 20% und in San Francisco 32% der Büros leer, in den Zentralbezirken von Tokio nur 6%. US-Pensionsfonds und Immobilienentwickler verkaufen daher ihre US-Büros mit Abschlag und erwerben japanische Büros. Dadurch stieg das Transaktionsvolumen bei Büros in Japan im ersten Quartal um mehr als Doppelte zum Vorjahr auf über 4 Mrd. Dollar.
Denn ungeachtet der Wünsche vieler Beschäftigter drängen die Unternehmen das Homeoffice zurück. Der Anteil von „Telework“, so der japanische Ausdruck, sank einer Umfrage zufolge im Juli auf 22%. Nach Daten von Nomura gehen über 62% der Mitarbeiter wieder täglich ins Büro. Viele Firmen zogen nach Pandemieende in modernere Gebäude oder gestalteten ihre Flächen großzügiger.