KommentarBondmärkte

Ausverkauf am Staatsanleihemarkt

An den Bondmärkten herrscht Ausverkaufsstimmung. Aber die Anleiherally ist nur eine Frage der Zeit. Sie ist lediglich vertagt.

Ausverkauf am Staatsanleihemarkt

Bondmarkt

Alles
muss raus

Von Kai Johannsen

Am Bondmarkt heißt es derzeit: Alles muss raus. Anleger fürchten, dass die Leitzinsen wohl doch länger als gedacht oben bleiben.

An den Staatsanleihemärkten herrscht derzeit Ausverkaufsstimmung, und zwar rund um den Globus. Ob nun US-Treasuries, Bundesanleihen, britische Gilts, australische oder kanadische Staatstitel, es ist völlig egal, alles wird aus den Portfolios geworfen. Geht das noch ein wenig so weiter, kann man bald den Eindruck gewinnen, dass Staatsanleihen die neuen Subprime-Bonds sind. Manch einer erinnert sich: Das waren die mit Ramschhypotheken unterlegten US-Bonds, die 2007/08 am Anfang der US-Immobilien- und späteren globalen Banken- und Finanzmarktkrise standen.

Aber warum wird derzeit im Bondhandel alles auf Verkauf gestellt? Der Markt hatte sich dafür positioniert, dass die internationalen Notenbanken im Kampf gegen die Inflation mit ihren Leitzinsanhebungen am Ende der Fahnenstange angekommen sind, die Wirtschaft nun wohl zu schwächeln beginnt und deshalb eher mal Leitzinssenkungen angesagt sind. Und in dieser Situation stellt sich nun bei vielen Investoren die Erwartung oder Befürchtung ein, dass die Leitzinsen wohl doch länger als gedacht bzw. erhofft höher bleiben könnten. Und damit bleibt dann auch die erwartete Anleiherally erstmal aus. Folglich bedeuten Renditesteigerungen der Anleihen Kursverluste, also nun raus mit den Papieren aus dem Portfolio. Und damit steigen die Renditen der betreffenden Staatspapiere weiter an.

Aber, und es gibt ja immer ein Aber: Die Renditesteigerungen selbst beeinflussen wiederum die gesamte Volkswirtschaft. Ausgehend von den höheren Finanzierungskosten für den Staat selbst über Unternehmensfinanzierungen, Immobilienkredite, Autofinanzierungen, Konsumentendarlehen bis hin zu Studentenkrediten etc. Und es werden genau diese Renditesteigerungen der Bonds sein, die selbst wiederum zur Belastung für die Wirtschaft werden und damit dann auch Leitzinssteigerungen der Notenbanken zumindest mal in Frage stellen.

Und damit gilt dann auch, dass die Anleiherenditen in einer Situation der schwächelnden Wirtschaft wieder fallen werden. Das Ausmaß des Renditerückgangs ist abhängig von der Schwere des konjunkturellen Einbruchs. Und genau diesen Einbruch erwartet der Bondhandel ja. Nur momentan bauen die Händler die Positionen dafür eben ab. Und das heißt: Das Messer fällt, und kaum einer möchte bekanntlich in ein fallendes Messer greifen. Abwarten ist nun erstmal angesagt, bevor man auf tieferen Kursniveaus wieder einsteigen kann. Die Anleiherally kommt ganz bestimmt – nur jetzt ist sie eben erstmal vertagt.  

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.