Im Blickfeld Neue Automodelle

Die Elektromobilität wird kleiner

Das Angebot von Pkw mit reinem Batterieantrieb ist in den untersten Größenklassen noch gering. Einige Hersteller nehmen nun aber das Segment mit Preisen von weniger als 25.000 Euro in den Blick.

Die Elektromobilität wird kleiner

Die Elektromobilität
wird kleiner

Das Angebot von Pkw mit Batterieantrieb ist in den untersten Größenklassen noch gering. Einige Hersteller nehmen nun aber das Segment mit Preisen von weniger als 25.000 Euro in den Blick.

Von Joachim Herr, München

Für einen Kleinwagen findet er ziemlich große Aufmerksamkeit: Im nächsten Frühjahr kommt auch in Deutschland der ë-C3 von Citroën auf den Markt. Mit einem Preis, der mit 23.300 Euro startet, soll es das günstigste Elektroauto aus europäischer Produktion sein. Gebaut wird das Modell aus der Markenwelt von Stellantis in der Slowakei. Der Dacia Spring Electric in der gleichen Preiskategorie ist zwar auch europäisch, aber der Mutterkonzern Renault lässt ihn in China produzieren.

Unterhalb der Schwelle von 25.000 Euro ist das Angebot an Elektroautos noch sehr überschaubar. Der ADAC moniert, in Deutschland würden nur drei Modelle für weniger als 30.000 Euro angeboten. Außer dem Dacia Spring sind es die Stromvarianten des Renault Twingo und des Fiat 500. Volkswagen hat angekündigt, 2026 den ID.2 auf den Markt zu bringen. Damit belässt es der Wolfsburger Konzern womöglich nicht: VW erwägt den Bau eines E-Autos für einen Basispreis unter 20.000 Euro. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, heißt es vom Unternehmen. Renault kündigte schon an, diese Schwelle in drei Jahren unterschreiten zu wollen.

Langsam in eine neue Phase

Die mehr oder weniger weit gereiften Anstrengungen der Volumenhersteller machen deutlich, dass der Markt für Elektrofahrzeuge zwar langsam, aber sicher eine neue Phase erreicht. Anders wird es in gut einem Jahrzehnt zumindest in Europa gar nicht gehen: Von 2035 an sollen in der EU Autos mit Verbrennungsmotor nicht mehr neu zugelassen werden. Die Folge für die Hersteller beschreibt Jan-Philipp Hasenberg, Partner und Automobilexperte des Beratungsunternehmens Roland Berger, so: „Eine Erweiterung des Portfolios muss stattfinden auf dem Weg ins Jahr 2035.“

Das Angebot richtet sich künftig auch an Kunden, die sich Autos für 30.000 Euro oder mehr nicht leisten können oder wollen. Somit könnte sich einer der wesentlichen Nachteile der Elektromobilität abschwächen: „Das macht Elektromobilität für mehr Menschen erreichbar“, sagt Hasenberg. Es bliebe allerdings die zum geflügelten Wort gewordene Reichweitenangst in Kombination mit der in vielen Regionen noch zu geringen Zahl an Ladesäulen.

Nur zwölf Modelle in der Statistik

Stefan Bratzel, der Direktor des Center of Automotive Management (CAM), rechnet damit, dass es von 2025 an „ein verstärktes Angebot kostengünstiger und ausreichend wettbewerbsfähiger E-Autos“ geben wird. Als Beispiele nennt er außer dem ID.2 von VW und dem Renault Twingo das von Tesla in Aussicht gestellte Kompaktmodell. Aktuell findet Bratzel in der Statistik der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland nur sieben Kleinwagenmodelle und fünf im Minisegment – jeweils eines weniger als vor einem Jahr. Er erkennt darin einen Bedeutungsverlust dieser Klasse.

Dass die Autohersteller bisher vor allem in der Mittel- und Oberklasse E-Modelle anbieten, hat aus Sicht von Roland-Berger-Berater Hasenberg zwei wesentliche Gründe. „Die Zahlungsbereitschaft für die im Vergleich mit den Verbrennermodellen teureren E-Autos ist eher am oberen Ende des Marktes zu finden“, betont er. Dieser Schwerpunkt ist auch eine Folge der Umweltpolitik: „Die europäischen Autohersteller müssen mit ihrer Fahrzeugflotte die CO2-Ziele erreichen“, sagt Hasenberg. „Deshalb gibt es eine Priorität für größere Elektromobile, die ja Verbrennerautos mit einem höheren CO2-Ausstoß ersetzen.“

"Angespannte Preispunkte"

Und der Branchengrundsatz, dass größere Autos in der Regel höhere Deckungsbeiträge und Margen liefern als kleinere Modelle, gilt auch für Elektroautos. Das bremst das Engagement der Hersteller im unteren Segment. „Die Preispunkte sind hier noch angespannter“, meint Hasenberg. „Deshalb gibt es in diesem Segment mehr Diskussionen der Hersteller über Kooperationen, um wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können.“ Ohnehin verdienen die traditionellen Hersteller mit den Elektromobilen generell noch deutlich weniger als mit den Autos mit Verbrennungsmotor. Abgesehen von Entwicklungs- und Anlaufkosten ist die Batterie das besonders teure Bauteil. Eine Ersatzbatterie kostet mindestens um die 10.000 Euro.

Batterie ohne Kobalt

Den ë-C3 stattet Citroën mit einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) aus, die günstiger ist als Nickel-Mangan-Kobalt-Batterien (NMC). Allerdings haben diese NMC-Batterien eine höhere Energiedichte, können also mehr Energie in einem leichteren Paket speichern. Andererseits ist der Abbau von Kobalt aus sozialer und ökologischer Sicht bedenklich. Erst vor kurzem gerieten eine Kobalt-Mine in Marokko und deren Kunde BMW in die Schlagzeilen. Die kobaltfreien LFP-Batterien baut auch Tesla in die Standardmodelle mit geringerer Reichweite ein. Der chinesische Konkurrent BYD, mittlerweile der größte Hersteller von Elektroautos in der Welt, nutzt diese Technik ebenfalls.

Der Preis für E-Autos ist auch ein politisches Thema – nicht nur wegen der staatlichen Kaufanreize. Schließlich geht es um die Klimaziele, die ohne den Beitrag des Verkehrssektors kaum zu schaffen wären. Der Wunsch nach erschwinglichen Modellen kam auf dem jüngsten „Autogipfel“ Ende November wieder auf, als sich die Branche in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz traf.

Aggressive Konkurrenz

Niedrigere Preise kann die Politik mit einer vorübergehenden Finanzhilfe zwar erreichen, aber Fahrzeuge, die immer noch mehr als 30.000 oder 40.000 Euro kosten, passen weitgehend nur ins Budget von Käufern, die sich in Deutschland auch ohne den Umweltbonus solche Autos anschaffen könnten. Wegen der riesigen Lücke im Bundeshaushalt will die Regierung ohnehin die Kaufprämie früher als 2025, wie bisher geplant, stoppen. An die Hersteller können Politiker allenfalls appellieren, auch günstigere Kleinwagen anzubieten. Anordnen können sie es freilich nicht.

Günstige Preise? Da schweifen die Gedanken gleich zu chinesischen Anbietern, die verstärkt auf den europäischen Markt streben. „Wegen der enorm niedrigeren Produktionskosten können sie viel aggressivere Preise anbieten“, stellt Berater Hasenberg fest. Allerdings gibt er zu bedenken: „Die These, die Chinesen würden vor allem ins Kleinwagensegment drängen, trifft aus meiner Sicht nicht zu. Sie wollen eher in die Mitte des Marktes gehen, wo die großen Volumina sind.“  

Die Stärksten bleiben übrig

Trotz der Konsolidierung, die unter den chinesischen Herstellern beginnt, empfiehlt Hasenberg den Europäern wachsam zu bleiben: Aus der Selektion gingen die Stärksten hervor. Zudem müsse man zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups unterscheiden.

Junge Anbieter wie Nio und Xpeng kämpfen mit Verlusten und ihren Kosten. „Viele der 200 E-Auto-Start-ups in China werden insolvent“, sagte vor kurzem Carlos Tavares, der CEO von Stellantis, in einem Interview mit dem „Spiegel“. Die Regierung unternehme nichts dagegen. Deshalb gebe es jetzt „eine riesige Konsolidierungswelle“.

Das käme der Strategie von Tesla-Chef Elon Musk entgegen, der nach Marktdominanz strebt. Mit üppigen Rabatten steigert er den Absatz und erzielt zusätzliche Skaleneffekte, auch wenn dies zumindest vorerst die Profitabilität erheblich belastet. Tesla bringt damit die Konkurrenz unter Druck und beschleunigt eine Konsolidierung auf der Angebotsseite.

Tesla wechselt die Richtung

In China hat Tesla mittlerweile die Richtung gewechselt und erhöht die Preise, wie von dort zu hören ist: Wohl auch Vorzieheffekte von Käufern vor der nächsten Runde brachten dem Unternehmen in dem Land, dem größten Markt der Welt für E-Autos und Pkw insgesamt, im November einen Anstieg der Auslieferungen um 5%.

In Deutschland ist in diesem Jahr laut CAM-Gründer und -Direktor Bratzel der an den Neuzulassungen gewichtete durchschnittliche Preis für ein Elektroauto um rund 4.000 Euro oder gut 8% auf rund 52.700 Euro gestiegen. Immerhin nahmen auch die Reichweite und die Lade­leistungen zu.

Mehr Gebrauchtwagen

Positiv aus Sicht der Käufer ist zudem, dass der hiesige Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge langsam in Bewegung kommt. Mit der gestiegenen Zahl von Neuzulassungen und der vergrößerten Modellpalette nimmt nach und nach der Verkauf zu, vor allem von Leasing-Rückläufern. Der ADAC hat Online-Portale unter die Lupe genommen und festgestellt, dass zum Beispiel ein zwei Jahre altes Tesla Model 3 Standard Range Plus für 31.900 Euro angeboten wird. Im Herbst 2022 seien für ein solches Fahrzeug noch 38.550 Euro verlangt worden, ein Jahr zuvor 39.700 Euro.

Der Preis für einen zwei Jahre alten VW ID.3 Pro S habe sich innerhalb eines Jahres von 33.100 Euro auf 28.850 Euro verringert. Für Interessenten mit kleinerem Budget verbessern sich somit die Chancen für den Kauf eines Elektroautos – zumindest eines gebrauchten.

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