BaFin: Von der Weltklasse zur Kreisklasse – und zurück?
Von der „Weltklasse“ (Ex-BaFin-Chef Felix Hufeld) in die „unterste Kreisklasse“ (CSU-Finanzexperte Hans Michelbach) und wieder zurück zur „Weltklasse“, wie es dem designierten BaFin-Chef Mark Branson vorschwebt? Die Gefühlslage in der deutschen Finanzaufsicht können vermutlich nur Fans von Schalke 04 nachvollziehen. Und als gäbe es nicht schon genug Stress mit Wirecard-Untersuchungsausschuss, Insider-Aktiengeschäften, Greensill-Aufsichtsversagen und den Wechseln an der Spitze der Behörde, kommen nun auch noch Wissenschaftler mit dem Vorschlag daher, der BaFin die Heimat zu nehmen, sprich die Verankerung im Finanzministerium zu lösen.
Kontrollversagen
Vermutlich wäre Bundesfinanzminister Olaf Scholz heute froh, hätte die Bundesregierung schon 2012 mit dem Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht auch die beim Bundesfinanzministerium liegende Rechts- und Finanzaufsicht über die BaFin abgeschafft. Denn dass sich der Minister und sein Staatssekretär Jörg Kukies mit der Aufsicht über die BaFin nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, ist noch eine freundliche Beschreibung der bisherigen Erkenntnisse aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss.
Umso erbärmlicher erscheint das bisherige Ergebnis der nach Wirecard-Pleite und Aufsichtsversagen großspurig auch von Olaf Scholz im vorigen Jahr angekündigten Reform der Finanzaufsicht in Deutschland. Denn für die „Finanzaufsicht mit Biss“, die Scholz wünscht, ist es nach allen bisherigen Erkenntnissen der Wirecard-Aufarbeitung leider nicht ausreichend, einfach die Spitze der Behörde auszutauschen und 160 zusätzliche Stellen zu schaffen. Denn die BaFin hat kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungs- und Governanceproblem.
Den Finanzmarktexperten des Leibniz-Instituts SAFE in Frankfurt gebührt das Verdienst, auf diese Defizite soeben hingewiesen und Lösungsvorschläge unterbreitet zu haben (vgl. BZ vom 9. April). Die darin geforderte Herauslösung der BaFin aus der Weisungsabhängigkeit des Bundesfinanzministeriums und eine stärkere Bindung an das Parlament entsprächen nicht nur der nötigen (partei-)politischen Unabhängigkeit, sondern auch der Organisation der Aufsicht in anderen Finanzmärkten wie den USA, Großbritannien oder den EU-Ländern Frankreich und Italien. Doch das allein würde nicht ausreichen, und der Vorschlag der SAFE-Experten, den Verwaltungsrat der BaFin mit zwei Mitgliedern aus anderen Wertpapieraufsichtsbehörden zu internationalisieren, springt etwas zu kurz.
Der Verwaltungsrat, der die Geschäftsführung der BaFin überwacht und auch das Budget genehmigt, gehört zu den Problemzonen der Finanzaufsicht. Denn dort dokumentiert und personalisiert sich mit den Vertretern aus Finanz-, Wirtschafts- und Justizministerium jene Rechts- und Finanzaufsicht, die man abschaffen sollte. Außerdem gehören dem Verwaltungsrat immer noch Vertreter der zu beaufsichtigenden Branchen an – ein permanenter Interessenkonflikt. Zwar ist die Branche nicht mehr mit bis zu zehn Sitzen wie vor der Finanzkrise, sondern nur noch mit jeweils einem Vertreter aus Kreditwirtschaft, Versicherungswirtschaft und Kapitalverwaltungsgesellschaften im 17-köpfigen Kontrollgremium dabei. Doch auch das vermittelt insofern ein schiefes Bild, als die zu beaufsichtigende Industrie selbst mit am Kontrolltisch sitzt, aber faktisch nichts zu sagen hat. Seit die Finanzierung der BaFin zu 100% durch Gebühren und Umlagen der zu beaufsichtigenden Unternehmen erfolgt und keine Zuschüsse mehr aus dem Bundeshaushalt fließen, haben die Politiker der BaFin munter zusätzliche Aufgaben zugewiesen, insbesondere auf dem Feld des Verbraucherschutzes, aber auch in der Geldwäscheprävention und der nationalen Bankenabwicklung. Beschäftigtenzahl wie auch Budget wurden kräftig in die Höhe getrieben. Kostete die BaFin im Jahr 2003 mit 1505 Stellen noch 118 Mill. Euro, waren es im Jahr 2014 bereits 218 Mill. Euro und 2019 mit 2722 Stellen schon 382 Mill. Euro. Eine Steigerung um 75% in nur fünf Jahren. Für 2020 wird gar mit rund 500 Mill. Euro gerechnet, die auf die Beaufsichtigten umgelegt werden.
Gute Miene zum bösen Spiel
Nun soll als Folge des Wirecard-Skandals die Mitarbeiterzahl abermals kräftig aufgestockt werden. Die Rechnung fürs Versagen der Aufsicht zahlen damit jene, die von der Aufsicht überwacht und beschützt werden sollen. Die Vertreter der zum Zahlmeister verdonnerten Branchen im BaFin-Verwaltungsrat müssen seit Jahren gute Miene zum bösen Spiel machen, weil sonst der Eindruck entstünde, sie wollten eine „Aufsicht mit Biss“ verhindern. Da die BaFin zunehmend Aufgaben erfüllt, die nicht nur der Überwachung der Finanzinstitute und dem Funktionieren der Kapitalmärkte dienen, sondern grundsätzlich dem Schutz der Verbraucher und der finanziellen und damit politischen Stabilität des Landes, wäre die Rückkehr zur Mischfinanzierung geboten. Müsste der Bund beispielsweise die Hälfte der Kosten tragen, fände auch die Expansion der Bürokratie und Regulierung zu Lasten Dritter eine eingebaute Kontrolle.
Die bisher als alleiniger Financier dienende Branche könnte dann leichter damit leben, nicht mehr im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Denn über den von ihr dominierten Fachbeirat der BaFin kann sie ihre Interessen ausreichend zu Gehör bringen. Und nicht zuletzt würde die Loslösung vom Finanzministerium und damit der Exekutive und die stärkere Kontrolle durch das Parlament für mehr Transparenz sorgen. Dies könnte ein erster Schritt sein, um dort die noch bei anderen Institutionen wie der Bundesbank liegenden Aufsichtsfunktionen zu bündeln. Ausdruck der geänderten Governance sollte sein, dass den Vorsitz im Verwaltungsrat der BaFin nicht mehr ein Staatssekretär des Finanzministeriums, sondern der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag innehat. Eine solche Reform würde zwar noch nicht zur Rückkehr zur Weltklasse, aber doch zum Aufstieg aus der Kreisliga verhelfen.
c.doering@boersen-zeitung.de