Bahn AG wird Bundesbahn
Nachträglich gesehen war der von der schwarz-roten Bundesregierung angeschobene Börsengang des Personenverkehrs und Logistikgeschäfts der Deutschen Bahn eine Schnapsidee. Bis heute leidet der Staatskonzern unter den damals eingesparten Investitionen, um vor dem IPO eine möglichst gewinnträchtige Bilanz zeigen zu können. Verheerend und ein Dauerärgernis wäre zudem jede Gewinnausschüttung an die privaten Minderheitsaktionäre gewesen, während die Bahn Jahr für Jahr viele Milliarden an Subventionen vom Staat erhält. Zwangsläufig hätte sich damit in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, hier würden Steuergelder direkt in die Taschen privater Investoren umgeleitet anstatt mit dem Geld Brücken zu sanieren und neue Züge zu bestellen.Zehn Jahre später ist alles anders – und manchmal das genaue Gegenteil dessen, was vor einem Jahrzehnt als richtig galt. “Für uns steht als Eigentümer der Deutschen Bahn AG nicht die Maximierung des Gewinns, sondern eine sinnvolle Maximierung des Verkehrs auf der Schiene im Vordergrund”, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Gleichzeitig wird als Ziel ausgerufen, dass die Bahn bis zum Jahr 2030 doppelt so viele Reisende transportieren soll wie momentan. Ein äußert ehrgeiziges, wenn nicht sogar unrealistisches Ziel, leidet die Bahn doch schon heute – bei “lediglich” 142 Millionen Reisenden jährlich im Fernverkehr – unter gravierenden Engpässen im Schienennetz. Mit Hilfe der Digitalisierung hofft der Bahnvorstand in einem relativ überschaubaren Zeitraum eine Kapazitätssteigerung von maximal 20 % realisieren zu können. Für die restlichen vier Fünftel des politisch vorgegebenen Weges müssen neue Strecken gebaut und Verkehrsknoten (wie etwa der Frankfurter Hauptbahnhof) aufgedröselt und gestärkt werden. Eine Arbeit für Jahrzehnte, wie die hoffnungslos verspäteten Großprojekte Stuttgart 21 oder die Schnellverbindung Berlin-München zeigen. Immerhin fahren auf der neuen Rennstrecke von der Spree an die Isar seit dem Start weg doppelt so viele Reisende wie zuvor – so wie es sich die Politik wünscht. Allerdings waren dieser Verkürzung der Reisezeiten von gut sechs auf unter vier Stunden fast ein Vierteljahrhundert Planungs- und Bauzeit vorausgegangen und Investitionen von etwa 10 Mrd. Euro, womit sich die Kosten fast verdoppelt haben. Noch schlechter sieht es im Rheingraben aus, wo sich die Bundesregierung verpflichtet hatte, mit Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels in der Schweiz Ende 2016 auch die deutsche Anschlussstrecke fertig gestellt zu haben. Inzwischen wird hier das Jahr 2030 genannt – wenn alles gut geht.Hinzu kommt, dass die dringend notwendige Ertüchtigung des überbelasteten Schienennetzes durch rapide steigende Schulden gebremst wird, die das Rating der Bahn gefährden. Der vor zehn Jahren angestrebte Börsengang, mit dem frisches Geld eingeworben werden sollte, ist derweil gestrichen. “Eine Privatisierung der Bahn lehnen wir ab”, heißt es eindeutig im Koalitionsvertrag – wobei Union und SPD diesen Satz nicht nur als Absage für ein mögliches IPO verstehen, sondern als Startschuss für eine Attacke auf das Unternehmen als Ganzes. Im April wurde mit Michael Odenwald, einstiger Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, der erste Politiker seit der Bahnreform vor fast 25 Jahren an die Spitze des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn gewählt als Nachfolger des zuletzt glücklosen Utz-Hellmuth Felcht, ehedem Vorstandschef von SKW Trostberg und Degussa. Für Sören Bartol, Vize-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, war diese Wahl der erste Schritt, um den Einfluss des Bundes auf die Bahn zu verstärken. Als nächster Schritt sollen die Satzungen geändert werden, um den Bahn-Managern “stärkere Vorgaben zu machen”. Sollte Bartol für die gesamte Regierung sprechen, ist die Bahn AG auf dem besten Weg zurück zur Bundesbahn. In der Zwischenzeit wurden auch Michael Frenzel, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Preussag bzw. Tui, und der Stahlmanager Jürgen Großmann aus dem Aufsichtsrat gedrängt, um durch Politiker ersetzt zu werden.Aber auch im Vorstand hat die Politik mit Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) schon vor Jahren Einzug gehalten. Gleichzeitig kommt der Güterverkehr partout nicht aus den roten Zahlen und hält es Bahn-Chef Richard Lutz für eine “Herausforderung”, auf der morgigen Halbjahrespressekonferenz die Gewinnprognose zu bestätigen. Unter diesen Umständen bräuchte die Deutsche Bahn AG mehr denn je unternehmerischen Sachverstand statt politischer Bevormundung.—–Von Ulli GerickeUnter diesen Umständen bräuchte die Deutsche Bahn AG mehr denn je unternehmerischen Sachverstand statt politischer Bevormundung.—–