Notiert inMadrid

Bahnfrust auch in Spanien

Bahnreisende in Spanien hatten wenig Grund sich über die Fernzüge aufzuregen. Doch mit dem Boom durch die Liberalisierung knirscht es nun.

Bahnfrust auch in Spanien

Notiert in Madrid

Bahnfrust auch in Spanien

Von Thilo Schäfer

Wenn Spanier sich über Probleme im Bahnverkehr aufregen, können leidgeprüfte Reisende aus Deutschland nur müde lächeln. Alles in allem sind die Züge hierzulande pünktlich und effizient, besonders der Fernverkehr auf dem zweitgrößten Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt nach China. Doch eben nicht immer. Am Wochenende beherrschte das „Bahnchaos“ in der Hauptstadt die Nachrichten. An den Madrider Bahnhöfen Chamartín und Atocha ging kaum noch etwas, da im Tunnel, der beide verbindet, ein leerer Zug offenbar beim Rangieren entgleist war und die Röhre blockierte. Als kurz darauf ein Mann mit Suizidabsichten drohte, sich von einer Oberleitung auf die Gleise nahe Atocha zu stürzen, wurden weitere Linien gesperrt und das Verkehrschaos war perfekt und löste sich erst am Montag auf.

Madrid baut um

Der Tunnel mit einer Länge von 7,3 Kilometern, der zwischen Atocha im Süden und Chamartín im Norden verläuft, ist die Achillesferse des Hochgeschwindigkeitsnetzes. Die unterirdische Verbindung wurde 2022 in Betrieb genommen und ermöglicht seitdem Reisenden, in andere Landesteile zu fahren, ohne in Madrid an den früheren Kopfbahnhöfen umsteigen zu müssen. Beide Stationen werden gerade aufwendig ausgebaut. Das hat in letzter Zeit schon öfters den Verkehr beeinträchtigt. Regierung und Experten verweisen auf den rasanten Anstieg des Passagierverkehrs bei Fernzügen durch die Liberalisierung des Marktes vor drei Jahren.

Der ehemalige Monopolist, das Staatsunternehmen Renfe, hatte in den letzten Monaten außerdem Probleme anderer Art. In den neuen Zügen vom Typ S106 Avril des spanischen Fabrikanten Talgo kam es zu verschiedenen technischen Störungen, bei denen hunderte Reisende sprichwörtlich auf der Strecke blieben. Renfe will den Eisenbahnbauer nun auf Entschädigung verklagen für die Mängel und die späte Auslieferung der Züge.

Zugfabrikant vor Problemen

In der Tat leidet Talgo, eine der traditionsreichsten Industriemarken Spaniens und für Generationen Synonym für moderne Bahnen, seit geraumer Zeit an Kapazitätsproblemen, um den langen Auftragsbestand abarbeiten zu können. Daher strebten die Hauptaktionäre einen Verkauf an die ungarische Magyar Vagon an. Doch die Linksregierung in Madrid schob dem einen Riegel vor, mit dem Argument, dass hinter dem Käufer die ungarische Regierung von Viktor Orbán und angeblich sogar das Putin-Regime in Moskau stünden. Ein Schutzmechanismus, der wegen der Corona-Pandemie in der Europäischen Union zugelassen wurde, machte das Veto möglich.

Nun zeichnet sich eine „spanische Lösung“ für Talgo in Form eines Teilverkaufs an den Stahlproduzenten Sidenor ab. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo kündigte darüber hinaus am Montag an, dass man den Schutzschild gegen ungewünschte Übernahmen aus dem Ausland über die Ablauffrist zum Jahresende verlängern wolle. Den verärgerten Bahnreisenden dürfte die Industriepolitik egal sein, solange die Züge wieder zuverlässig rollen.

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