Bank of America läutet im Bryant Park verfrüht den Winter ein
Notiert in New York
Adventswut im Bryant Park
Von Alex Wehnert
Der Bryant Park in Midtown Manhattan gibt im Oktober ein tristes Bild ab. Dort, wo das Auge im Frühjahr und Sommer an einem seltenen Fleckchen Grün im Großstadtdschungel weidet, wo sich sonst die Besucher von Freiluft-Kinovorstellungen oder Jazz- und String-Band-Konzerten auf dem Rasen hinter dem im Beaux-Arts-Stil gehaltenen Hauptgebäude der öffentlichen Bibliothek New Yorks fläzen – dort warten aktuell nur karger Betonboden, Bauzäune und jede Menge Gerümpel. Schuld daran ist Bank of America.
Denn das US-Kreditinstitut sponsert das "Winter Village" im Bryant Park, das deutschen Weihnachtsmärkten nachempfunden ist und seit 2002 die adventswütigen Besucher anlockt. Seit 2005 errichtet der Parkbetreiber in der Mitte der Anlage eine Eisfläche mit freiem Eintritt, für die der grüne Rollrasen weichen muss – und das, so grummelt mancher New Yorker, gefühlt jedes Jahr früher.
Wenngleich der Markt erst am 27. Oktober die Pforten öffnet, sind die Aufbauarbeiten bereits im vollen, oder besser gesagt im halben Gang. Rund um den Park sind einige Bretterverschläge aufgebaut, in denen Händler in wenigen Wochen handgewobene Schals aus dem Himalaya, davon vermutlich kaum zu unterscheidende schwedische Geschirrtücher, im Whiskeyfass gereiften Ahornsirup und mit diesem besser nicht zu verwechselnde organische Kräuterbalsame feilbieten werden.
Noch herrscht auf dem Festareal allerdings gähnende Leere. Und wer einen der Parkmitarbeiter beobachtet, der gemächlich-griesgrämig einige der Sonnenschirme beiseite karrt, die Besuchern über die Sommermonate Schatten spenden, der wundert sich kaum noch über die lange Vorlaufzeit der Eröffnung des Winter Village. Bezüglich des Tempos der Aufbauarbeiten kann sich das Bank-of-America-gesponserte Dorf wohl noch einiges vom ungleich größeren Nürnberger Christkindlesmarkt und anderen deutschen Weihnachtsmärkten abschauen, mit denen man sich auf der Webseite recht vollmundig vergleicht.
Für das nach Bilanzsumme zweitgrößte US-Kreditinstitut bietet die Unterstützung der Veranstaltung einerseits die Chance, mit Volksnähe um Sympathien potenzieller Kunden zu werben. Wer eine Kredit- oder Debitkarte von Bank of America sein Eigen nennt, erhält am Schlittschuhverleih beispielsweise 10% Rabatt. Mit ihren Einlagenzinsen allein lockt Bank of America jedenfalls wohl kaum einen Sparer hinter dem Ofen hervor: Wie viele andere Großbanken zahlt sie deutlich geringere Raten als regionale Geldhäuser, bei denen der Depositenwettbewerb zunehmenden Druck auf die Profitabilität auslöst und bei denen die Entwicklung der Zinsmargen im Rahmen der Berichtssaison zum dritten Quartal besonders im Fokus stehen dürfte.
Andererseits nutzt Bank of America die Chance, sich als Patronin aufstrebender Unternehmen zu inszenieren. So hat das Geldhaus auch im laufenden Jahr ein sogenanntes "Small Business Spotlight" eingerichtet, in dem vier lokale, von Mitgliedern ethnischer Minderheiten geführte Firmen mit jährlichem Umsatz von bis zu 1 Mill. Dollar ihre Produkte ausstellen dürfen, ohne dafür Standgebühren zu zahlen. In den vergangenen Jahren gastierten in diesem Rahmen beispielsweise ein Hersteller von Töpferwaren oder ein Anbieter von Puzzles für Kinder.
Den größten Andrang im Winter Village dürfte neben der Eisfläche unterdessen auch im laufenden Jahr wohl das kulinarische Angebot verzeichnen. Allerdings: Wer nach dem Schlittschuhlaufen Heißhunger verspürt und sich an einem der Stände an Waffeln, als Churros firmierendem Fettgebäck oder Herzhafterem gütlich tun will, kann sich erst einmal getrost auf die gegenüberliegende Straßenseite begeben und einen Privatkredit beantragen – an der Adresse One Bryant Park befindet sich nämlich bequemerweise ein Financial Center von Bank of America. Aus den eigenen liquiden Mitteln ist der New Yorker Weihnachtsmarkt-Mampf in der Regel schließlich nicht zu finanzieren.