KommentarZinswende

Banken im Glück

Banken und Sparkassen wähnen sich im Glück. Hohe Zinsüberschüsse treffen auf niedrige Kreditrisikovorsorge und bescheren ihnen satte Gewinne. Doch Glück ist flüchtig.

Banken im Glück

Zinswende

Banken
im Glück

Von Tobias Fischer
Von Tobias Fischer

Es war einmal eine Zeit, in welcher der Positivzins abgeschafft und es in Banken und Sparkassen weitgehend verpönt war, Spargelder der Kundschaft klaglos anzunehmen. Jahrelang erwehrten sich Institute des Zuflusses von Einlagen, weil sie selbst Strafzinsen zahlen mussten, wenn sie überschüssige Mittel, die sich nicht in Form von Krediten oder Eigenanlagen unterbringen ließen, bei der Zentralbank parkten.

Zusätzliche Einlagen kosteten die Institute unter Minuszinsbedingungen nicht nur Geld, sondern auch die „betriebswirtschaftliche Bewegungsfreiheit“, wie beispielsweise der oberste Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis klagte. Unvergessen ist sein Ausspruch von der “liebevollen Umarmung der Kunden”, die den Sparkassen unter Ne­ga­tiv­zinsbedingungen zusehends “die Luft zum Atmen“ nehme. Keine zweieinhalb Jahre ist das her. So wie Schleweis argumentierten die meisten Banken- und Sparkassenlenker, die den Geldzustrom zwar als Vertrauensbeweis und in normalen Zinszeiten als positiv zu bewerten ansahen, in der Welt der Minuszinsen aber als Bürde.

Geändert hat sich die Lage mit der Zinswende im Juli 2022. Seitdem hat der Wettbewerb um Kundengelder weiter an Fahrt aufgenommen, wenngleich sich das gerade im Sparkassen- und genossenschaftlichen Sektor noch nicht überall herumgesprochen zu haben scheint. Gewiss, es besteht keine Notwendigkeit, mehr Zinsen auf Sparprodukte zu zahlen, wenn die Kundschaft einem ohnehin treu bleibt. Bislang ist das offenbar der Fall. Aber es gleicht einer Wette. Von den zu Jahresbeginn 1,5 Bill. Euro an Kundeneinlagen allein bei den Sparkassen waren 72% Sichteinlagen, also flüchtiges Geld, das jederzeit abgezogen werden kann.

Derzeit wähnen sich die Institute im Glück: Satte Zinsüberschüsse treffen auf niedrige Kreditrisikovorsorge und bescheren ihnen sagenhafte Gewinnzuwächse, wie hier die ING gerade unter Beweis gestellt hat. Das Institut mit gut neun Millionen Kunden war eines der ersten von Rang, das das Verwahrentgelt gestrichen, Sparbrief- und Tagesgeldzinsen angehoben und mit Lockangeboten von sich reden gemacht hat. Doch auch Glück ist flüchtig. Diejenigen, die noch Zinsen im Promillebereich zahlen, werden im sich verschärfenden Wettbewerb um Kundschaft voraussichtlich nachlegen müssen, was die Margen verengt. Und da Baufinanzierungen einbrechen, kommen auch kreditseitig weniger Erträge rein. Eingedenk mauer Konjunkturaussichten dürfte die Kreditvergabe weiter unter Druck geraten und die Risikovorsorge steigen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.