Bastion Stada fällt
Im zweiten Anlauf und nach einer Zitterpartie bis zur letzten Sekunde sind die Finanzinvestoren Bain und Cinven mit der Übernahme des Arzneimittelkonzerns Stada am Ziel. Die lange als uneinnehmbar geltende Bastion fällt. Die zuletzt niedrig angesetzte Mindestannahmeschwelle wurde erreicht, die Hedgefonds haben sich anders als im ersten Versuch nicht verzockt, und auch der am Ende noch aufgetauchte Aktivist Elliott hat offensichtlich seine Vorstellungen verwirklicht. Alles andere wäre eine Blamage ohnegleichen für alle Beteiligten gewesen.Die beiden Private-Equity-Häuser Bain und Cinven setzen neue Maßstäbe im M & A-Markt – wenn auch mit ungewollten Umwegen im Transaktionsprozess. Sie stemmen mit 5,4 Mrd. Euro die größte Übernahme durch Finanzinvestoren in Deutschland und verleiben sich zudem erstmals in dem Erwerberkreis ein Unternehmen ein, das zu 100 % in Streubesitz gehalten wurde. Damit sollte auf dem schwierigen Terrain das Eis gebrochen sein.Die komplizierte Aktionärsstruktur hat die Bieter vor besondere Herausforderungen gestellt. Es waren nicht nur Hedgefonds zu bändigen, die sich üblicherweise in Übernahmen positionieren und keine Unbekannten sind. Speziell in Deutschland findet dieser Anlegerkreis zunehmend Gefallen daran, den Minderheitenschutz, den das Gesellschaftsrecht bietet, für sich in bare Münze umzuwandeln. Von der Gunst der Stunde angelockte Adressen konnten sich bei Stada zu allem Übel noch einmal günstig eindecken, nachdem Bain und Cinven die Annahmeschwelle im ersten Angebot knapp verfehlt hatten und die Aktie des MDax-Wertes für kurze Zeit auf Talfahrt war. Allerdings musste das Spiel im zweiten Anlauf klappen, denn sonst würde die Rechnung nicht aufgehen – auch für diejenigen, die bis zum Squeeze-out die Hand aufhalten wollen. Der aktuelle Kursanstieg auf gut 72 Euro deutlich über den Angebotspreis von 66,25 Euro zeigt, wohin die Reise geht.Problematisch für die Stada-Übernahme war der hohe Anteil passiv verwalteter Indexfonds im Aktionärskreis, weil diese Anleger in der Regel nicht schon während der Angebotsfrist ihre Titel andienen dürfen. Diese Anteile kann sich der Bieter zwar prinzipiell zurechnen, sobald er ins Ziel gekommen ist. Doch es erschwert die Festlegung der Mindestannahmeschwelle. Da diese Investorengruppe auf dem Vormarsch ist, wird sie zunehmend zum Thema für den Erfolg von Übernahmeverfahren.Für Spannung sorgte auch die hohe Präsenz von Privataktionären mit knapp einem Viertel am Kapital. Aus der Historie des von Apothekern vor 120 Jahren gegründeten Unternehmens heraus spielen Pharmazeuten und Ärzte traditionell eine wichtige Rolle im Aktionärskreis – und bis zur Entmachtung durch Aktivisten auch im Aufsichtsrat. Aus der Gruppe der treuen Privatanleger soll Widerstand gegen die Übernahme laut geworden sein, so dass sich der neue Vorstandschef Engelbert Tjeenk Willink noch kurz vor Fristende in einem Appell für das Gelingen des Erwerbs starkmachte und warnte, Stada könnte stattdessen Ziel eines feindlichen Zugriffs und einer Zerschlagung werden. Und dann wäre eine Investorenvereinbarung mit weitreichenden Beschäftigungsgarantien, wie sie Bain und Cinven abgerungen wurde, ein frommer Wunsch.Die Stada-Übernahmestory wird als mahnendes Beispiel in die Annalen eingehen. Die Dramaturgie folgt dem Lehrbuch: Mangelnde Governance und Unterbewertung schaffen ein Einfallstor für Aktivisten. Dem Überfall folgt das Köpferollen im Aufsichtsrat und an der Vorstandsspitze, Restrukturierungen zur Renditesteigerung werden hektisch eingeleitet, und schon ist das Unternehmen reif für die Übernahme. Bemerkenswert immerhin, dass die Stada-Verwaltung anfangs im Bieterstreit die Fäden in der Hand halten konnte und den Prozess maßgeblich steuerte, was in öffentlichen Übernahmen ungewöhnlich ist. Die Dynamik im Investorenkreis wurde dann aber in der ersten Offerte fahrlässig unterschätzt. So artete die Transaktion zum Thriller aus, obwohl die Bewertung im Markt als ausgereizt und die Strategie der Finanzinvestoren als schlüssig angesehen wurde.Das Schlusswort der Stada-Saga ist noch nicht geschrieben. Zwar können die Mitarbeiter nach eineinhalb Jahren Chaos insofern aufatmen, als nun zumindest klar ist, wer neuer Herr im Haus ist und welche Ziele dieser verfolgt. Die Finanzinvestoren haben gleichwohl noch ein Stück holprigen Weges vor sich, bis sie durchregieren und dem Unternehmen zu neuer Blüte verhelfen können.——–Von Sabine WadewitzDie Finanzinvestoren haben trotz des Erfolgs der Stada-Übernahme noch ein Stück holprigen Weges vor sich.——-