KommentarSchwache Geschäftsentwicklung

Bei Amerikas Großbanken fällt der Schleier

An der Wall Street üben sich Manager in Aufschwungrhetorik hinsichtlich der US-Banken. Jamie Dimon, Chef von J.P. Morgan, spielt da zurecht nicht mit. Denn die Geldhäuser müssen vor allem ihre Praktiken im Privatkundengeschäft auf den Prüfstand stellen.

Bei Amerikas Großbanken fällt der Schleier

US-Banken

Die Kulisse fällt in sich zusammen

Von Alex Wehnert

Amerikas Großbanken müssen ihre Praktiken im Privatkundengeschäft auf den Prüfstand stellen.

Amerikas Großbanken haben nach dem schwachen Auftakt in die Berichtssaison zum zweiten Quartal einen harten Kampf vor sich. Nur wenige Branchenvertreter finden dazu so klare Worte wie Jamie Dimon, CEO von J.P. Morgan. Dieser fürchtet, dass die Inflation höher bleiben könnte als von Ökonomen erwartet – die Ausweitung des US-Fiskaldefizits spricht dafür, dass der Wall-Street-Kopf recht behält. Und selbst wenn die Federal Reserve 2024 noch die Zinsen senkt, dürften diese doch in problematischen Regionen verbleiben.

Denn inzwischen stecken auch die größten Häuser in einem folgenreichen Depositenwettbewerb. Die rückläufigen Nettozinsmargen zeigen die Probleme schon deutlich auf. Wells Fargo rechnet unterdessen damit, dass die Nettozinserträge im Gesamtjahr 2024 um 8 bis 9% fallen dürften. Statt aber wie Dimon mit klaren Worten auf die Erwartungen der Investoren einzuwirken, flüchtet sich Wells Fargo in schwammige Formulierungen: Bezüglich der Faktoren, die den Zinsertrag beeinflussten, herrsche noch Unsicherheit.

Kreditkosten ziehen an

Bei Citigroup hebt Vorstandschefin Jane Fraser indes Fortschritte bei der Reorganisation des Geldhauses hervor. Dass sich die Bank auf diesem Weg aufgrund von Mängeln im Datenmanagement zuletzt erneut regulatorischen Ärger eingehandelt hat, kann da fast schon unter den Tisch fallen. Der Sprung der Kreditkosten, der sich insbesondere im Kartengeschäft Bahn bricht und höhere Rückstellungen erfordert, findet ebenfalls eher nebenbei Beachtung.

Auch Dimons Kollegen auf den Vorstandsetagen der Wall Street müssen aber einsehen, dass genau diese Faktoren den Anlegern Kopfzerbrechen bereiten. Mit einer Erholung im Investment Banking können die Universalinstitute daher ebenso wenig von der Zins- und Kreditproblematik ablenken wie mit neuen Rückkaufprogrammen, die Geldhäuser nach dem jüngsten Fed-Stresstest beschlossen haben.

Massive Kartenverluste drohen

Die von Bankvorständen um Fraser aufgebaute Kulisse eines Aufschwungs fällt in sich zusammen. Auch die Resultate des Stresstests sind weniger beruhigend, als Branchenköpfe sie gern verkaufen. Dass die Kapitalquoten der größten US-Banken auch bei einer schweren Rezession über den Mindestanforderungen bleiben würden, ist schön und gut. Allerdings werden diese Anforderungen im Nachgang des Stresstests steigen. Zugleich rücken die massiven Verluste in den Fokus, die den Instituten laut der Fed im Ernstfall drohen würden – insbesondere jene aus dem Kartengeschäft. Die führenden US-Banken müssen ihre Praktiken in diesem Segment nun genau überprüfen.

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